Gefährlicher Systemwechsel bei der «Organspende»

Neu sollen alle Bewohner unseres Landes automatisch zu Organspendern werden, sofern sie nicht aktiv Widerspruch hiergegen einlegen. Der Widerspruch müsste in einem staatlichen Register deponiert werden.

Jedes Jahr sterben Menschen, weil nicht zeitgerecht ein passendes Organ für sie gefunden werden konnte. Ende 2018 warteten in der Schweiz 1’421 Menschen auf Organe. Und im selben Jahr starben 68 Patienten, weil für sie kein Organ gefunden werden konnte.

Neu: Automatisch Organspender

In der Politik wächst deshalb der Druck, die «Organspende» zu begünstigen. So wurde letzten März die Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» eingereicht. Demnach würde die Zustimmung zu einer Organspende automatisch vermutet, wenn sich die betreffende Person nicht zu Lebzeiten explizit dagegen geäussert hat. Konkret bedeutet dies: Wer sich nicht aktiv wehrt, wird automatisch zum Organspender (Widerspruchsregelung). 

Heute ist die Rechtslage genau umgekehrt (Zustimmungsregelung): Nur wenn sich jemand mit einem Spenderausweis explizit zur Organspende bereit erklärt, dürfen ihm die Ärzte nach dem Tod Organe entnehmen. Hat der Verstorbene keinen Spenderausweis, so können ersatzweise die Angehörigen die Zustimmung zur Organentnahme geben. In rund 60% der Fälle lehnen diese aus Pietät gegenüber dem Verstorbenen eine Organspende ab.

Bundesrat will indirekten Gegenvorschlag

Wie die Initiative spricht sich auch der Bundesrat für eine sog. «erweiterte Widerspruchslösung» aus. Grundsätzlich würde demnach jede volljährige Person, die sich nicht explizit gegen eine Organentnahme ausspricht, automatisch zum Organspender. Im Unterschied zur Volksinitiative sollen jedoch weiterhin zwingend die Angehörigen einbezogen werden. Sie müssten jedoch einer Organentnahme nicht – wie heute – zustimmen, sondern könnten lediglich Einspruch erheben. Dabei müssten sie nachweisen, dass eine Organentnahme dem Wunsch des Verstorbenen widerspricht.

Damit der Wille zuverlässig festgehalten und im Notfall gefunden werden kann, will der Bundesrat ein Register schaffen. Eine Erklärung für oder gegen eine Spende von Organen und Geweben soll darin festgehalten und bei Bedarf wieder geändert werden können. Vorgesehen ist zudem, die Bevölkerung über die neue Regelung und die Pflicht zum Widerspruch zu informieren.

Der Bundesrat will die erweiterte Widerspruchslösung als indirekten Ge­genvorschlag zur Organspende-In­itiative einbringen. Dazu soll das Transplantationsgesetz geändert werden. Ein entsprechender Vorschlag wurde am 19. September 2019 in die Vernehmlassung geschickt. Die Botschaft zum revidierten Gesetz will der Bundesrat bis im Herbst 2020 ans Parlament überweisen.

Schwerwiegender Eingriff

Die Widerspruchs«lösung» stellt einen gravierenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar. Weltanschaulich will uns der säkularisierte Staat damit darauf einstimmen, dass unsere Überzeugungen hinsichtlich dessen, was wir vorgeburtlich waren und postmortal sein werden, keine Bedeutung für den rechtlichen Regelmechanismus habe. Sie sind demnach «privat», also irrelevant für das Gemeinwohl, wozu unterdessen der Organspenderbetrieb gehört.

Auch die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK) bezeichnete das Vorgehen letzten September als «ethisch bedenklich», weil es dazu führen könne, dass Personen ohne Einverständnis Organe entnommen werden. Die NEK hatte sich bereit 2012 in diesem Sinn geäussert und blieb bei ihrer früheren Meinung.

Der Staat dürfe Eingriffe in die Persönlichkeit nicht ohne Not erleichtern, sondern müsse den Einzelnen davor schützen. Das solle auch dort gelten, wo es auf den ersten – rein naturwissenschaftlichen – Blick sinnlos erscheint, nämlich in Bezug auf die Verfügbarkeit über den eigenen Körper nach dem Tod. Zwar bleibe der Einzelne auch bei der Widerspruchsregelung frei, seine Organe zu spenden oder darauf zu verzichten. Indem die Spende aber zur gesetzlichen Norm werde, entstehe eine Pflicht, sich aktiv zu äussern. Wer ein solches, im Detail vorgeschriebenes Verfahren durchlaufen müsse, um seinen Willen durchzusetzen, werde in seinen Persönlichkeitsrechten massiv eingeschränkt.

Alternativen wären möglich

Mit der Widerspruchs«lösung» entwickelt sich die «freiwillige» Organspende deshalb schleichend zum sanften Zwang. Das erscheint unverhältnismässig, solange nicht andere Möglichkeiten zur Erhöhung der Spendebereitschaft ausgeschöpft werden. So könnten Einwohnerinnen und Einwohner regelmässig zu ihrer Spendebereitschaft befragt werden. Damit würde an den Einzelnen appelliert, ohne ihn in eine bestimmte Richtung zu zwingen. Denkbar wäre auch, die Bevölkerung bei der Erneuerung von Pässen, Identitätskarten oder Ausländerausweisen zur Organspende zu befragen.

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