Familienpolitische Spielereien im Parlament

Das Parlament hat sich in seiner Herbstsession auf die Einführung eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs geeinigt. Für kinderreiche Familien steht die «Papizeit» allerdings nicht zuoberst auf der Sorgenliste.

Rund 500 Familien – Eltern und Kinder – trafen sich am 7. September im Freilichtmuseum Ballenberg ob Brienz zum diesjährigen Familientag. Nebst frohem Beisammensein ging es vor dem Hintergrund der laufenden Herbstsession des Parlaments auch um politische Fragen. 

Die meisten Mitgliedsfamilien der IG «Familie 3plus» gehören nämlich zum Mittelstand und versuchen, sich ohne Staatshilfe selbst durchzubringen. Dabei stehen sie jedoch oft vor grossen Hindernissen.

Zwang zur Arbeit ausser Haus

Viele Mütter kinderreicher Familien bringen nicht die Kraft auf, nebst Kinderbetreuung und Familienmanagement noch eine Arbeit ausser Haus anzunehmen. Der Staat benachteiligt diese Familien, indem er die Fremdbetreuung massiv unterstützt. So hiess das Parlament letztes Jahr erneut 350 Mio. Franken für die Krippenfinanzierung gut. Zudem kann bei den Steuern für jedes fremdbetreute Kind 10’100 Franken abgezogen werden. Ein gleicher Abzug für Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen, wurde im November 2013 an der Urne abgelehnt (Familieninitiative).

Wenigstens beschlossen die Eidg. Räte am 26. September 2019, den allgemeinen Kinderabzug bei der direkten Bundessteuer von 6’500 Franken auf 10’000 Franken zu erhöhen. An der Privilegierung der Fremdbetreuung würde damit allerdings nicht gerüttelt, denn für fremdbetreute Kinder könnten damit gleich zweimal 10’000 Franken pro Kind abgezogen werden. Immerhin konnte verhindert werden, dass die Abzüge für externe Kinderbetreuung auf 25’000 Franken mehr als verdoppelt wurden.

SP-Referendum gegen höhere Kinderabzüge

Die SP verkündete am 7. Oktober, gegen die Erhöhung des Kinderabzugs das Referendum zu ergreifen, weil «hiervon nur die Reichen profitierten». Tatsächlich zahlen aufgrund der starken Progressionskurve 44% aller Familien keine direkten Bundessteuern. Viel schmerzhafter sind für diese unteren Einkommen die ständigen Mehrwertsteuer- und Gebührenerhöhungen. Allerdings ist auch eine Reduktion der Steuerbelastung für die restlichen 56% der Familien durchaus gerechtfertigt. 

Das Problem der Sozialdemokraten ist es schlicht, immer alle Steuersenkungen abzulehnen und gleichzeitig allen Steuererhöhungen zuzustimmen. So war es auch eine Koalition von SP/Grünen und FDP, welche 2013 die Familieninitiative versenkte. Nicht zuletzt dürfte die Linke interessiert sein, immer mehr Menschen in eine Staatsabhängigkeit zu treiben und damit die eigene Klientel zu vergrössern.

Heiratsstrafe ungelöst

Die meisten Eltern kinderreicher Familien sind verheiratet. Auch die Benachteiligung verheirateter Doppelverdiener-Ehepaare gegenüber Konkubinatspaaren – die sog. «Heiratsstrafe» – bleibt deshalb ein Ärgernis. Seit 2011 gibt es zwar 7 Berichte und 24 parlamentarische Vorstösse, aber null Reformen zur Lösung des Problems. 

Am 17. September 2019 beschloss der Ständerat nun einmal mehr, die Sache zwecks «Neubeurteilung» verschiedener Lösungsmodelle an den Bundesrat zurückweisen. Die Benachteiligung verheirateter Erwerbspaare bleibt unverändert. 

Was passiert mit der CVP-Initiative?

Eventuell wird damit eine Wiederholung der vom Bundesgericht annullierten Abstimmung über die CVP-Initiative zur Heiratsstrafe etwas wahrscheinlicher – sofern die CVP diese nicht zurückzieht.

Das Stimmvolk hatte die Initiative am 28. Februar 2016 an der Urne mit 50,8% ganz knapp abgelehnt. Dies, weil die Bundesverwaltung die Zahlen schamlos manipulierte und behauptete, lediglich 80’000 – statt effektiv 450’000 – Doppelverdiener-Ehepaare seien gegenüber unverheirateten Paaren benachteiligt. Das Bundesgericht hob die Abstimmung deshalb am 10. April 2019 auf.

Offen liess es jedoch, ob der Abstimmungstext dem Volk unverändert vorgelegt werden muss oder ob er abgeändert werden kann. Die CVP-Initiative enthielt nämlich eine Definition der Ehe als «auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau». Mit einer Annahme der Vorläge an der Urne wäre der laufenden Diskussion zur Homoehe ein Riegel vorgeschoben. Dies möchten Linke – und die CVP selbst, welche die Homoehe inzwischen befürwortet – unbedingt vermeiden. Die CVP zieht deshalb auch einen Rückzug der Initiative in Betracht. 

Eine Zweitauflage der Abstimmung müsste laut Bundesrat spätestens am 27. September 2020 stattfinden. Der Bundesrat müsste folglich bis 27. Mai 2020 den Abstimmungstermin festlegen. Höchstens bis dann hat das Initiativkomitee Zeit, den Vorstoss zurückzuziehen. Das politisch für die CVP günstigste Szenario wäre ein gesichtswahrender Rückzug mit dem Verweis darauf, dass das Parlament eine Reform der Familienbesteuerung beschlossen habe, welche die steuerliche Heiratsstrafe endlich beseitige. Mit der Rückweisung durch den Ständerat ist dies jedoch unwahrscheinlich geworden.

Luxusprobleme im Parlament

Ein weiteres Thema der Herbstsession war schliesslich der «Vaterschaftsurlaub». Eine entsprechende Initiative war 2017 von Travail.Suisse, Männer.ch (Dachverband der Männerorganisationen), Alliance F und Pro Familia Schweiz eingereicht worden. 

Nach dem jetzt im Parlament verabschiedeten Gesetz sollen Väter künftig in den ersten sechs Monaten nach Geburt des Kindes zwei Wochen bezahlten Urlaub nehmen können. Die Kosten belaufen sich auf rund 229 Mio. Franken pro Jahr und sollen durch zusätzliche Lohnprozente (Erwerbsersatzordnung) je hälftig von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden.

Der Bundesrat lehnte sowohl die Volksinitiative, als auch diesen indirekten Gegenvorschlag ab. Seiner Meinung nach würde beispielsweise ein Betreuungsurlaub für Eltern von schwerkranken Kindern viel grösseren Nutzen bringen. Und recht hat er.

Fernab der Realität

Tatsächlich handelt es sich bei der Debatte um «Papizeit», «Elternzeit» oder Work-Life-Balance um Wohlfühlthemen oft selbst kinderloser, grün-sozialistischer und liberaler Politikerinnen und Politiker. Bei der Bewältigung der Alltagsprobleme kinderreicher Familien spielen diese Fragen kaum eine Rolle. Dort geht es vielmehr darum, Ende Monat die Rechnungen zu zahlen und der Familie den nötigen Wohnraum zu ermöglichen.

Statt mehr Geld für Luxusprobleme auszugeben und hierfür die Zwangsabgaben zu erhöhen würde unser Parlament besser Steuern, Gebühren und Prämien senken. Eine Beseitigung der oben beschriebenen Benachteiligungen punkto Bevorzugung der Fremdbetreuung und der Heiratsstrafe wäre schon mal ein guter Anfang.

Celsa Brunner

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