Abtreibung muss wieder ein Thema werden!

«Abtreibung» ist zur Normalität geworden. Jedes zehnte Kind wird heute in der Schweiz im Mutterleib getötet. Selbst lebensfähige Kinder werden bis kurz vor der Geburt mit einer Giftspritze umgebracht. Wir sind aufgerufen, diese Missstände in der Öffentlichkeit zu thematisieren.

Die Rechtsvorgaben sind schwammig: Gemäss der Fristen«lösung» von Art. 119 Abs.2 StGB ist eine Abtreibung in den ersten 12 Wochen seit der letzten Menstruation straflos, sofern die schwangere Frau schriftlich eine «Notlage» geltend macht. Ob eine solche tatsächlich existiert, braucht nicht begründet zu werden. Besonders schwerwiegend ist, dass eine Abtreibung bis zur Geburt vorgenommen werden darf, wenn dies „nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage von der schwangeren Frau abgewendet werden kann“ (Art. 119 Abs. 1 StGB).

Seit Inkrafttreten der Fristenlösung am 1. Oktober 2002 wurden in der Schweiz rund 150’000 ungeborene Menschen im Mutterleib beseitigt. Jedes Jahr sind es über 10’000. Bei rund 500 Kindern geschieht die Abtreibung nach der 12. Woche – teilweise gar nach der 22. Schwangerschaftswoche. So erfolgten 2017 103 Abbrüche nach der 17. und 41 Abtreibungen sogar nach der 23. Schwangerschaftswoche.

Lebensfähige Kinder getötet

Da sog. «Frühchen» bereits ab der 22. Woche lebensfähig sein können, führen solche Spätabtreibungen zu schwerwiegenden Situationen. Mit Einsetzen der Wehen gilt für das Spitalpersonal nicht länger Artikel 119 StGB, sondern das normale Strafrecht (Tötung durch Unterlassung). 

Um eine Lebendgeburt zu vermeiden setzen Ärzte deshalb gern eine Todesspritze. Dabei wird mit einer Nadel die Bauchdecke und Gebärmutter durchstossen und Kaliumchlorid ins Herz des ungeborenen Kindes gespritzt. Der Tod erfolgt innert einiger Minuten.

Die Gesellschaft für Neonatologie hat schon 2002 «Schweizer Empfehlungen» zur Betreuung von Frühgeborenen «an der Grenze der Lebensfähigkeit (22 – 26 Schwangerschaftswochen)» herausgegeben. Demnach soll sich das Spitalpersonal bei Kindern, die vor der 24. Woche zur Welt kommen, auf Massnahmen zur Sterbebegleitung beschränken. Erst ab der 24. Woche soll eine intensivmedizinische Betreuung erwogen werden. Bereits die «Schweizer Empfehlungen» von 2002 machten aber darauf aufmerksam, dass «mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung der neonatalen Intensivmedizin die Grenze der Lebensfähigkeit (limit of viability) immer weiter nach unten verlagert» wird.

Die Mutter entscheidend

An sich sind Spätabtreibungen nach der 12 Schwangerschaftswoche nur zur Abwendung «der Gefahr» einer «schwerwiegenden körperlichen Schädigung» oder «schweren seelischen Notlage» der schwangeren Frau zulässig, d.h. nicht aufgrund von Erbschäden des Kindes (eugenische Indikation). Auch müsste die Gefahr umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist (Art. 119 Abs.1 StGB).

Trotz diesen Vorgaben sind genetische und organische Schäden häufigster Grund für Spätabtreibungen. Tests für Chromosomendefekte (Trisomie 18 oder 21) können schon in den ersten drei Monaten durchgeführt werden, aber eine sichere Diagnose braucht mehr Zeit. Auch lassen sich organische Schäden oder etwa «Spinabifida» meist erst nach der 20. Schwangerschaftswoche feststellen.

In der Praxis ergibt sich die «Gefahr» einer «schweren seelischen Notlage» der Mutter deshalb häufig, weil diese die Geburt eines behinderten Kindes befürchtet. Der Begriff «schwere seelische Notlage» ist gemäss Rechtspraxis nämlich subjektiv, d.h. aus Sicht der betroffenen Frau zu bestimmen. 

Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission

Angesichts der zunehmenden Überlebensfähigkeit von «Frühchen» hat sich am 28. Februar 2019 die «Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin» (NEK) in die Diskussion eingeschaltet. Das 50seitige Papier «Zur Praxis des Abbruchs im späteren Verlauf der Schwangerschaft – Ethische Erwägungen und Empfehlungen» anerkennt, dass Spätabtreibungen zu einem wachsenden Problem werden und an den Spitälern sehr unterschiedliche Vorgehensweisen bestehen.

«Die Zentrumsspitäler machen einen hervorragenden Job, aber es fehlt an einheitlichen und transparenten Standards», meinte NEK-Präsidentin Andrea Büchler in der «Neuen Zürcher Zeitung». «Solche Vorgaben wären gerade auch für die mittelgrossen Spitäler wichtig, die nur selten mit späten Schwangerschaftsabbrüchen konfrontiert sind.» Die Kommission fordert deshalb, dass die medizinischen Fachgesellschaften schweizweit gültige Leitlinien erstellen.

Giftspritze kurz vor der Geburt

Tatsächlich ändern die Regeln von Spital zu Spital. Das Inselspital Bern etwa macht – ausser bei unmittelbarer Lebensgefahr der Mutter – nach der 22. Woche keine Abbrüche mehr. Sein Team lehne geschätzte 10 bis 20 Prozent der Anfragen ab, sagt Chefarzt Daniel Surbek. Er erinnert sich an eine Frau, die im achten Monat eine Abtreibung wollte. Die NEK-Studie schätzt, dass pro Jahr rund 50 Schweizer Frauen in die Niederlande oder nach Grossbritannien reisen, wo eventuell selbst in der 38. Woche noch eine Abtreibung möglich ist. 

Das Unispital Basel lehnt Giftspritzen (Fetozid) generell ab. Am Inselspital Bern werden solche verabreicht. Surbeck meint allerdings, sie seien für das Personal «besonders belastend» – schliesslich handle es sich dabei um eine aktive Tötung des Fötus.

An anderen Spitälern entscheiden Ethikzirkel, ob ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen wird. Doch was ist, wenn eine Spätabtreibung erfolgt, ohne dass die gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind? Theoretisch drohen einem Arzt bis zu fünf Jahre Gefängnis. So könnte eine Hebamme Anzeige erstatten. Oder eine Frau, die abgetrieben hat, könnte eine Fehlbehandlung geltend machen, weil sie nach der Abtreibung eine schwere Depression hat. 

Die NEK-Empfehlungen geben keine Anhaltspunkte, wie der Entscheid über Spätabtreibungen objektiviert werden könnte. In Gegenteil: Zwar spricht die NEK von einem „Ermessensentscheid“, den aber letztlich nur die betroffene Frau selbst treffen kann, weil nur sie das Ausmass ihrer Notlage abschätzen könne.

Relativierung der 12 Wochen-Frist

Zudem weisen die «Empfehlungen» in die gefährliche Richtung einer harmonisierten Öffnung der 12 Wochen-Frist nach oben. So baut die NEK gezielt Druck auf Spitäler auf, die sich gegen Spätabtreibungen wehren. «Insbesondere in ländlichen Regionen und in Spitälern mit katholischer Trägerschaft scheinen Frauen oftmals mit einem restriktiven Umgang konfrontiert», meint die NEK. 

In dieselbe Richtung zielen auch Bemerkungen von NEK-Präsidentin Andrea Büchler. Der Zürcher Rechtsprofessorin schwebt vor, zur «Versorgungssicherheit» in jeder Region mindestens ein Spital für Spätabtreibungen zur Verfügung zu stellen. Gewissermassen: «Spätabtreibung als Teil der Grundversorgung».

Abtreibung als Normalität

Dass ein zwar behindertes, aber lebensfähiges Kind kurz vor der Geburt mit einer Giftspritze gezielt liquidiert wird, ist eine Perversion der heutigen Gesellschaft. Gleichzeitig zeigt sich damit, wie stark Abtreibung inzwischen zur «Normalität» wurde. Auch die Zahlen belegen dies: So kamen 2017 auf 87’381 Geburten 10’015 Abtreibungen. Jedem zehnten Kind wurde bereits vor der Geburt das Leben genommen!

Wir müssen uns gegen diese Entwicklung entschieden wehren! Gerade der jährliche «Marsch fürs Läbe» bietet hierfür eine wichtige Gelegenheit. 

Nicht aufgeben!

Es liegt auf der Hand, dass es Abtreibungsbefürwortern nicht passt, wenn jemand öffentlich gegen Schwangerschaftsabbruch auftritt. In Zürich möchten die Behörden den «Marsch fürs Läbe» vom Münsterhof/Altstadt auf den abgelegenen Turbinenplatz (Kreis 5) verdrängen. Aus «sicherheitspolizeilichen Überlegungen» sei eine Manifestation «nur an dezentraler Lage» und nur als «stehende Veranstaltung» zulässig. 

Das Organisationskomitee hat Einsprache erhoben. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass von 2010 bis 2015 regelmässig Märsche durch die Limmatstadt möglich waren – ohne je die öffentliche Sicherheit zu gefährden. Der Staat hat neutral zu sein. Sonst müssten nach der Argumentation des Zürcher Sicherheitsdepartements ja auch die 1.-Mai-Kundgebung und alle Fussballspiele in der Stadt verboten werden. Sie sind ein mindestens ebenso grosses «Sicherheitsrisiko» wie der «Marsch fürs Läbe».

Auch wenn uns bei unserem Einsatz für das Recht auf Leben ein kalter Wind ins Gesicht bläst, dürfen wir in unserem Engagement für den Schutz des menschlichen Lebens nicht nachlassen. Wir sind es den über 10’000 ungeborenen Kindern schuldig, die jedes Jahr in unserem Land vor der Geburt stillschweigend beseitigt werden.Celsa Brunner

Schreiben Sie einen Kommentar