Religionsfreiheit contra Diskriminierungsschutz

Ende Juli kam es in Zürich zur Verurteilung eines Predigers aufgrund von Artikel 261bis StGB. Das Urteil wirft weitreichende Fragen auf. Ist die Verkündigung biblischer Zitate heute strafrechtlich verboten?

Erst vor zweieinhalb Jahren wurde die erweiterte Anti-Rassismus-Strafnorm angenommen. Und bereits wurde nun ein christlicher Strassenprediger aufgrund von Art. 261bis StGB verurteilt. Die damaligen Befürchtungen scheinen sich zu bewahrheiten: Eine freie Glaubensverkündigung ist durch das verschärfte Strafgesetz nicht mehr möglich.

Öffentliche Predigt gegen Homosexualität

Konkret ging es um einen 63-jähriger Nachhilfelehrer, der sich am 29. Juli vor dem Bezirksgericht Zürich wegen einer Predigt gegen Homosexualität zu verantworten hatte. Gemäss Anklageschrift trat er am Samstag, 19. Juni 2021, in der Zürcher Bahnhofstrasse öffentlich auf. Er erhob seine Stimme und setzte zu einer lauten Predigt an. Dabei sagte er (teilweise sinngemäss), dass Homosexualität eine Sünde sei, gleichgeschlechtliche Beziehungen vor Gott keine Gültigkeit hätten und die homosexuelle Liebe eine böse Lust und schändliche Begierde sei. Diese Aussagen fielen im Rahmen der Pride – dem Festival der LGBTQI-Community. Passanten alarmierten die Polizei, die den Angeklagten nach kurzer Flucht anhalten konnte. Die zuständige Staatsanwältin forderte für den Mann eine bedingte Freiheitsstrafe von 8 Monaten sowie eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen à 150 Franken.

Kein Hass und keine Hetze

Der Angeklagte, der ohne Anwalt erschien, machte vor Gericht geltend, dass er dem Auftrag Gottes gefolgt sei. Weil in der Welt Sodom und Gomorrha herrsche, sei es richtig, die Menschen auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen. Seit 1983 predige er im Auftrag Gottes, um Menschen aus der Finsternis ins Licht zu führen. Die Aussagen seiner Predigt seien richtig, denn sie stünden so in der Bibel. Dem Einzelrichter warf er vor, das Predigen der Umkehr zu Gott mit Hass und Hetze zu verwechseln. Das Gericht entschied im Sinne der Anklage und setzte das Strafmass bei 95 Tagessätzen à 160 Franken (15’200 Franken) fest. Da die Strafe bedingt ausgesprochen wurde, wird der Betrag nur fällig, wenn der Beschuldigte in den kommenden zwei Jahren rückfällig wird. Allerdings kann der Beschuldigte das Urteil weiterziehen.

Bibelzitate verboten?

Gewisse Begründungen des Urteils lassen aufhorchen. So machte der Richter geltend, man könne auch gegen das Antidiskriminierungsgesetz verstossen, wenn man nicht aus Hass, sondern aus «religiösem Errettungsgedanken» diskriminierende Aussagen mache, sagte. Die geäusserten Ansichten seien im Jahr 2022 in Mitteleuropa definitiv aus der Zeit gefallen.

EDU-Kantonsrat Hans Egli, der sich vor zweieinhalb Jahren gegen die Ausweitung der Anti-Rassismus-Strafnorm eingesetzt hatte, schüttelt den Kopf. Falls der Beschuldigte lediglich biblische Aussagen zur Homosexualität zitiert haben, so wäre dies ein Angriff auf die Glaubensfreiheit. Und er schiebt nach: «Dass rechtliche Aussagen nach dem Zeitgeist beurteilt werden, verstehe ich nicht. Ich befürchte, dass sich damit künftig jeder verdächtig macht, der nicht dem Mainstream entspricht.» Für die NZZ-Journalistin und Juristin Katharina Fontana ist klar, dass mit dem Urteil die Tabuzone ausgeweitet wurde. In einem Kommentar meinte sie: «Das Strafrecht dient dazu, grobe Verletzungen und Störungen des Zusammenlebens zu ahnden; es ist ein Instrument für extreme Fälle. Es ist nicht dazu da, die Menschen zu Anstand, Moral und gegenseitiger Achtung zu erziehen.»

(idea)

                                                                                      

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