Am 11. Mai befasste sich die Rechtskommission des Nationalrates erstmals konkret mit der „Ehe für alle“. Vor weiteren Entscheiden will sie erst vertiefte Abklärungen.
Am 5. Dezember 2013 reichte die grünliberale Berner Nationalrätin Kathrin Bertschy eine parlamentarische Initiative „Ehe für alle“ (13.468) ein. Sie forderte eine Änderung von Artikel 14 BV: So sei die Ehe für alle Paare zu öffnen, ungeachtet des Geschlechts oder sexueller Orientierung. Umgekehrt sollten Konkubinatspaare eine eingetragene Partnerschaft begründen können, was heute nur für Homopaare möglich ist.
Die Rechtskommissionen von National- und Ständerat hiessen den Vorstoss 2015 gut und beauftragten die nationalrätliche Rechtskommission mit der Umsetzung. Sie befasste sich nun am 11. Mai 2017 erstmals konkret damit, kam aber nicht sehr weit. Gemäss Presse-mitteilung wurde „eine erste Aussprache über das weitere Vorgehen geführt.“ Primär soll die Verwaltung „vertiefte Abklärungen über die möglichen Auswirkungen einer ‘Ehe für alle’ in den verschiedenen Rechtsbereichen“ vornehmen. Der frühestens für Herbst 2017 geplante Bericht soll einen präziseren Überblick verschaffen. Für die „Ehe für alle“ wären nämlich rund 30 Gesetzesanpassungen nötig – so im Steuerrecht, Sozialversicherungs-recht und Ausländerrecht, aber auch im Adoptionsrecht und in der Fortpflanzungsmedizin. Anschliessend will die Kommission über die nächsten Schritte befinden.
Taktische Spielchen
Primär geht es um die Frage, ob für die „Ehe für alle“ eine Verfassungsänderung nötig ist (wie Bertschy ursprünglich vorschlug), oder nicht. Bis anhin waren sich praktisch alle einig, dass es eine solche braucht. Politisch würde die Einführung der „Ehe für alle“ damit allerdings schwieriger, denn in der Volksabstimmung wäre nebst dem Volksmehr auch ein Ständemehr nötig. Und daran könnte die Vorlage scheitern. Hiervor haben die Befürworter der Homoehe Angst.
Bertschy selber ist deshalb von ihrer früheren Forderung nach einer Verfassungsänderung abgerückt. Inzwischen hätten staats- und zivilrechtliche Untersuchungen gezeigt, dass eine Gesetzesänderung genüge, meinte sie. Sekundiert wird sie dabei von der sozialistischen Bundesrätin Sommaruga, welche die Auflösung der Institution „Ehe“ ohnehin zu einem ihrer Hauptanliegen als Justizministerin gemacht hat.
Parallel-Ehe auf Gesetzesebene?
So gab Sommarugas Justizdepartement zwei Gutachten ab, welche Bertschys Sinneswandel stützen. Sie kommen zum Schluss, dass das in der Verfassung festgeschriebene «Recht auf Ehe» zwar Mann und Frau meint. Dies sei zwar nicht explizit festgeschrieben, jedoch aufgrund der gesetzlichen und gerichtlichen Interpretationen eindeutig. Der Gesetzgeber habe aber die Kompetenz, im Gesetz ein weiteres Institut zu schaffen, das auch homosexuellen Paaren offenstehe.
Erstaunlich ist, wie sich all dies mit Artikel 14 BV („Das Recht auf Ehe und Familie ist gewährleistet.“) vertragen soll. Bisher begründete die Ehe – und nur die Ehe! – eine Familie. Bereits mit der Homoadoption (leibliche Kinder des Partners) und der Konkubinatsadoption wurde der Familienbegriff aufgeweicht. Wird nun parallel zur Verfassung auf Gesetzesebene ein zweites, eheähnliches Institut geschaffen, so muss man sich ernsthaft fragen, ob damit der verfassungsrechtliche Familienschutz noch gewährleistet ist.