Die Tragik der Spätabtreibungen

Spätabtreibungen werfen schwerwiegende ethische Fragen auf. Oft werden dabei lebensfähige Kinder im Mutterleib gezielt getötet, um dann tot geboren zu werden. Dies führt auch beim Medizinalpersonal zu schweren Belastungen.

Jedes Jahr erfolgen in der Schweiz bei insgesamt über 10’000 Abtreibungen rund 500 Spätabtreibungen nach der 12. Schwangerschaftswoche. Benötigt wird hierfür lediglich die Unterschrift eines Arztes, der eine subjektive «schwere seelische Notlage» der Mutter bestätigt. Mitunter werden auch Kinder abgetrieben, die prä- oder postnatal operativ behandelt werden könnten (z.B. Hydrocephalus, Spina Bifida). Auch 90% der Ungeborenen mit Down-Syndrom werden getötet, obwohl sie lebensfähig wären. Dabei erfolgen viele der Spätabtreibungen aufgrund von Fehldiagnosen.

Nationalrat will keine Prävention

Am 11. Mai 2022 lehnte der Nationalrat mit 132 zu 36 Stimmen bei 13 Enthaltungen eine Motion (20.3191) von Nationalrätin Yvette Estermann (SVP/LU) ab, welche Massnahmen zur Reduktion der Zahl der Spätabtreibungen verlangte. Sie forderte vor allem eine verbesserte Information der Mutter zu den Behandlungsmöglichkeiten einer kindlichen Fehlbildung. Mütter müssten Klarheit zur Überlebensfähigkeit und Lebensqualität eines Kindes mit Anomalien haben. Nur in voller Kenntnis des Sachverhalts könnten sie eine konstruktive Entscheidung fällen. Zudem seien Kinderpathologen zu verpflichten, alle in utero diagnostizierten Behinderungen nach Abtreibungen, Tot- oder Lebendgeburten zu bestätigen, bzw. zu falsifizieren. Die Quote der Fehldiagnosen müsste künftig offengelegt werden.

Erstaunlicherweise stimmten lediglich 3 Parlamentsmitglieder der Partei «Die Mitte» für die Motion, während 19 dagegen waren. Offenbar hat der Schutz der ungeborenen Menschen bei den früheren Christdemokraten keinen besonders grossen Stellenwert mehr. Gerhard Pfister, Präsident der angeblich konservativen «Mitte», enthielt sich vornehm der Stimme. «Die Mitte» ist vor allem eines geworden – nämlich «flexibel»…

Vor der Geburt gezielt getötet…

Das Vorgehen bei Spätabtreibungen ist brutal – und auch für das Medizinalpersonal eine enorme Belastung: Ein Schwangerschaftsabbruch nach der 12. Schwangerschaftswoche bedeutet eine mit Wehen auslösenden Mitteln künstlich eingeleitete Geburt. Sie kann Stunden oder gar Tage dauern. Ist die Schwangerschaft bereits weit fortgeschritten und davon auszugehen, dass das Baby die Geburt überleben würde, so wird dieses oft vor der Geburtseinleitung mit einer Kaliumchloridspritze ins Herz getötet. Eine andere Methode ist die Injektion von Rivanol in die Fruchtblase – ein Desinfektionsmittel, womit das ungeborene Kind völlig verätzt wird.

…oder langsames Ersticken

Eine besondere Tragik stellen Fälle dar, bei denen abgetriebene Kinder lebend geboren und anschliessend zum Sterben liegen gelassen werden. Je später der Schwangerschaftsabbruch erfolgt, desto wahrscheinlicher wird eine Lebendgeburt. Leider gibt es keine Zahlen für die Schweiz, doch lohnt sich ein Blick ins Ausland: In England waren 20% der Kinder, die nach der 20.Schwangerschaftswoche abgetrieben wurden, noch am Leben.

Kinder, die vor der 24. Schwangerschaftswoche mit der Tötungsabsicht auf die Welt gezwungen werden, erhalten – obwohl sie leben – keine medizinische Versorgung. Da die Lungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgereift sind, erfolgt der Tod durch langsames Ersticken.

Entscheide über Leben und Tod

Heute ist die Medizin so weit fortgeschritten, Frühchen ab 22 Wochen erfolgreich zu behandeln. Leider gibt es hierzu in der Schweiz ebenfalls keine offiziellen Daten. Dies mag auch daran liegen, dass die 2017 revidierten Leitlinien der Gesellschaft für Neonatologie grundsätzlich empfehlen, erst ab der 24.Schwangerschaftswoche medizinisch einzugreifen. Währenddessen werden Frühchen in vielen Ländern bereits weit vor der 24. Woche erfolgreich behandelt.

Bei Lebendgeburten ab der 24.Schwangerschaftswoche müssen die Ärzte in der Schweiz – auch gegen den Willen der Mutter – medizinisch eingreifen. Diese eigentlich gesunden Kinder bleiben nach einem Abtreibungsversuch oft mit schwerwiegenden Folgen und Behinderungen zurück. Ihnen wird ein furchtbarer Leidensweg auferlegt.

Pränataldiagnostik: Druck auf die Eltern

Rund 95% der in der Schweiz geborenen Kinder kommen gesund zur Welt. Das liegt vor allem an den pränatalen Untersuchungen, die mittlerweile Standard sind und eine Aussonderung Behinderter ermöglichen. Seit über 40 Jahren wird dabei unter anderem Ultraschall genutzt. Eine genaue Diagnose ist dabei jedoch nicht möglich. Es gibt höchstens Indizien und dies auch nur, wenn sich das Kind im richtigen Sichtfeld des Arztes befindet. Die Bestätigung eines Verdachtes muss mit einer invasiven Untersuchung bestätigt werden, was nicht ungefährlich ist. Bis zu 2% aller Schwangeren erleiden nach einem solchen Eingriff eine Fehlgeburt. In der Schweiz ergibt jeder siebte Test, der nicht invasiv durchgeführt wird, ein erhöhtes Risiko und erfordert für eine definitive Diagnose einen invasiven Eingriff.

Die Verringerung der Sterblichkeitsrate von Säuglingen ist eine positive Entwicklung. Für Ärzte und Eltern ist es wichtig, sich auf eventuelle Komplikationen vorzubereiten und dem Kind so medizinisch einen optimalen Start ins Leben zu ermöglichen.

Andererseits wächst jedoch damit der Druck auf die Eltern. Die Eltern selbst, aber auch das Umfeld (und die Krankenkassen!) erwarten immer mehr ein gesundes Kind. Parallel zum «Recht auf ein Kind», wie es die Fortpflanzungsmedizin verheisst, entsteht damit ein «Recht auf ein gesundes Kind». Die Folgen sind vorgeburtliche Selektion und Liquidierung.

Das Wunder des Lebens

Die Wissenschaft entdeckt immer neue, faszinierende Fakten über die Entwicklung des Kindes im Mutterleib. Ein Baby «entsteht» nicht erst mit der Geburt. Es lebt nicht erst ab der Sekunde, in der es das Licht der Welt erblickt. Schon am 16.Tag nach der Empfängnis schlägt das kleine Herz – der Zeitpunkt, an dem die meisten Frauen überhaupt erst eine Schwangerschaft feststellen. In der 6. Schwangerschaftswoche sind alle Organe angelegt und müssen nur noch ausreifen. Selbst bei einer Abtreibung vor der 12. Schwangerschaftswoche werden also keinesfalls nur «Zellen» brutal aus dem Mutterleib gerissen oder gesaugt. Ab der 16.Woche kann ein Fötus hören und die Stimme der Mutter erkennen, ab der 26. Schwangerschaftswoche öffnet das Baby seine Augen öffnen und kann Umrisse erkennen.

Wann endlich wird die Gesellschaft bereit sein, diesen wunderbaren, ungeborenen Menschen als vollwertig anzuerkennen?                                                                                        

Claudia Kaufmann

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