Medizinische Geschlechtsumwandlungen sollen künftig keine Voraussetzung für eine amtliche Geschlechtsänderung mehr sein. Stattdessen soll das persönliche Empfinden der Betroffenen reichen.
Wer heute sein amtliches Geschlecht ändern will, muss hierfür den Rechtsweg beschreiten und ein Feststellungsurteil erwirken. Das soll sich nun ändern. Konkret hat der Bundesrat am 23. Mai eine Revision des Zivilgesetzbuches (ZGB) in die Vernehmlassung geschickt, wonach künftig der Eintrag von Geschlecht und Vornamen im Personenstandsregister «mittels einfacher Erklärung» gegenüber einem Zivilstandsbeamten geändert werden könnten.
Für die amtliche Änderung des Geschlechts würde für volljährige Personen demnach bloss noch die Voraussetzung bleiben, dass jemand «innerlich fest davon überzeugt ist, nicht dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht zuzugehören».
«Innerlich feste Überzeugung»?
Fraglich ist, was unter einer «innerlich festen Überzeugung» zu verstehen sei. Der Wechsel des Geschlechts soll zwar keine familienrechtlichen Folgen haben. Eine bestehende Ehe oder Elternschaft blieben unberührt. Er könnte aber durchaus Rechte und Pflichten begründen, etwa betreffend die AHV, den Militärdienst oder bei einer Adoption. Geht es nach dem Bundesrat, soll «die Aufrichtigkeit der Geschlechtsänderungserklärung vermutet» werden. Der Zivilstandsbeamte müsste jedoch offensichtlich missbräuchliche Erklärungen oder Erklärungen nicht urteilsfähiger Personen zurückweisen. Solche wären nach Meinung des Bundesrates leicht erkennbar.
Der Vorschlag des Bundesrates beinhaltet einen markanten Wechsel. Noch 1993 hatte das Bundesgericht entschieden, dass die Rechtssicherheit «klare, eindeutige Verhältnisse» gebiete, die nicht dem persönlichen Empfinden der Betroffenen überlassen werden könnten und nur bei einem «irreversiblen medizinischen Geschlechtswechsel» gewährleistet seien. 2012 sprach sich allerdings das Eidgenössische Amt für Zivilstandwesen das explizit gegen das Erfordernis unumkehrbarer chirurgischer Eingriffe als Vorbedingung einer Registeränderung aus.
Bipolarität der Geschlechter bleibt vorerst
Unverändert lässt der Bundesrat vorerst die binäre Geschlechterordnung. Eine dritte Kategorie nebst «männlich» und «weiblich» – etwa «nicht bestimmt» wie in Australien – ist nicht vorgesehen. Justizministerin Sommaruga verwies auf Postulate von linker Seite, die vom Bundesrat eine vertiefte Analyse verlangen und in der nächsten Session behandelt werden. Der Bundesrat empfiehlt sie zur Annahme.
Von der amtlichen Geschlechtsfeststellung betroffen sind nicht nur Männer und Frauen, die sich mit dem jeweils anderen Geschlecht identifizieren (Trans), sondern auch Menschen, die mit unbestimmtem Geschlecht geboren werden (echte Hermaphroditen). Jährlich gibt es in der Schweiz rund 40 Neugeborene mit einer unklaren «Variante der Geschlechtsentwicklung». Spätestens drei Tage nach Geburt muss aber das Geschlecht beim Zivilstandsamt gemeldet werden, selbst wenn das medizinische Fachpersonal dieses noch nicht bestimmen kann. Unabhängig von der ZGB-Revision prüft der Bundesrat deshalb, ob diese Frist verlängert werden könnte.