Am 3. Juni legte der Bundesrat dem Parlament die Botschaft für eine Umsetzung der Pädophilie-Initiative vor. Wie befürchtet zeigt sich dabei, dass er den Verfassungstext nicht umsetzen will.
Am 18. Mai 2014 wurde mit 63,5% der Stimmen die Eidg. Volksinitiative „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“ angenommen. Die Initiative war von „Marche blanche“ ausgegangen war und auch seitens „Jugend und Familie“ hatten wir sie unterstützt.
Inhaltlich ist der neue Artikel 123c BV klar: Personen, die verurteilt wurden, weil sie die sexuelle Unversehrtheit eines Kindes oder einer abhängigen Person beeinträchtigt haben, verlieren endgültig das Recht auf eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit Minderjährigen oder Abhängigen. Der Deliktskatalog umfasst alle Sexualstraftaten von Offizialdelikten wie Vergewaltigung und Schändung bis hin zu Antragsdelikten wie Exhibitionismus und sexueller Belästigung.
Keine Bagatelldelikte
Voraussetzung für ein Berufsverbot ist, dass es zu einer Verurteilung kam. Bagatelldelikte – wie eine „Jugendliebe“ – sind nicht betroffen, weil gar nie eine Verurteilung erfolgt. Zudem handelt es sich um eine Massnahme mit präventivem Zweck und nicht um eine Strafe.
Allerdings tritt das Berufsverbot nach einer Verurteilung automatisch in Kraft und liegt nicht im Ermessen des Richters. Nicht zuletzt wollte man damit der notorischen Täterfreundlichkeit der Rechtssprechung begegnen, welche dem Opferschutz oft zu wenig Achtung schenkt.
Bundesrätlicher Vorschlag
Am 3. Juni hat der Bundesrat nun die Botschaft für einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Dabei zeigt sich, dass er die Initiative nicht umsetzen will. Entsprechende Signale hatte es bereits am Abstimmungssonntag gegeben. Damals orakelte die zuständige Bundesrätin Sommaruga, dass ihr die Umsetzung „Sorge bereite“. Bemängelt wurde, dass der Richter nicht mehr die Möglichkeit habe, das Berufsverbot für Pädophile auf einige Monate oder Jahre zu beschränken. Genau dies jedoch wollte der Initiativtext verhindern.
Sommaruga und andere machten geltend, dass dies der Verhältnismässigkeit widerspreche. Konkret schlagt der Bundesrat nun vor, dass – um «gravierende Verletzungen» des Verhältnismässigkeitsprinzips zu vermeiden – dem Gericht die Möglichkeit gegeben werden soll, «in besonders leichten Fällen» auf die Anordnung eines lebenslangen Tätigkeitsverbots zu verzichten. Die Vorlage sieht zudem die Möglichkeit einer Überprüfung des Verbots nach zehn Jahren vor.
Nichtumsetzung mit System
Der Unmut bei „Marche blanche“ ist deshalb beträchtlich. Initiantin Christine Bussat warf der Regierung vor, die Umsetzung der Initiative zu verweigern. Das präsentierte Gesetz erlaube es, dass das lebenslange Berufsverbot auf einfache Weise umgangen werden könne.
Bereits bei drei ähnlichen Initiativen – nämlich der Verwahrungs-, der Unverjährbarkeits- oder der Ausschaffungsinitiative – sorgten „Experten“ und Politiker dafür, dass Verfassungsbestimmungen einfach nicht umgesetzt wurden. Als Motiv für die Nichtbeachtung des Volkswillens wurden völkerrechtliche Gründe oder (wie im vorliegenden Fall) „wichtige Grundsätze des Verfassungsrechts“ angeführt.
Celsa Brunner