Wie christlich darf man in der Schweiz noch sein?

SP-Politiker Fabian Molina hat vorgeschlagen, den Gottesbezug aus der Bundesverfassung zu streichen. Manche finden das gut. Dabei übersehen sie die tiefe Verwurzelung unseres Landes in den christlich-abendländischen Werten.

Noch vor 50 Jahren war es selbstverständlich, Christ zu sein. Es brauchte Mut, sich als Atheist zu bekennen. Heute ist es oft umgekehrt: Als Christen kommen wir in einen Erklärungsnotstand. Die säkularisierte Gesellschaft hält es für selbstverständlich, dass man in religiösen Belangen und gegenüber den Kirchen kritisch oder mindestens indifferent eingestellt ist.

Bekennende Christen müssen sich deshalb ständig für den Glauben und die damit verbundene Werthaltung rechtfertigen. Rasch landet man dann bei den einschlägigen Themen: Abtreibung, Suizidbeihilfe, Homosexualität, Sex vor der Ehe, die einzig richtige Religion, Himmel und Hölle. Wir spüren den entfesselten Individualismus einer totalen Konsumgesellschaft, wo selbst der menschliche Körper zum käuflichen Gut wird (Prostitution, Leihmutterschaft).

Keine christlichen Symbole

Bereits seit Jahren zeigt sich regelmässig der Konflikt um christliche Symbole im öffentlichen Raum: Keine christlichen Lieder an der Schule, kein Weihnachtsspiel, Gipfelkreuze müssen weg. Und nach dem Willen der sog. «schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft» soll die Nationalhymne vom «religiösen Ballast» gesäubert werden. Am 17. März 2021 reichte nun auch noch SP-Politiker Fabian Molina eine parlamentarische Initiative ein mit dem Titel «Den Laizismus in der Bundesverfassung verankern». Damit soll die religiöse Neutralität des Staates gesichert werden.

Keine wertfreie Gesellschaft

In seiner Begründung bringt es Molina auf den Punkt: «Die demokratische Rechtsordnung kann ihre Legitimation nicht an eine oder mehrere Religionen binden, da sie auch für alle Anders- oder Nichtgläubigen gelten muss.» Es geht um die alte Frage des Verhältnisses von Religion und Demokratie.

Der deutsche Rechtsphilosoph Ernst-Wolfgang Böckenförde hat das Kernproblem in einem vielzitierten Satz zusammengefasst: «Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.» Oder anders gesagt: Unsere Demokratie lebt mit dem Widerspruch, dass sie zwar ihren Bürgern keine Religion verordnen darf, aber nur dank einem stabilen Wertefundament funktioniert.

Religiöser Bezug als Basis der Demokratie

Die direkte Demokratie ist nämlich ein rein formales Prinzip – das «Abzählen der Nasen». Man erkennt sofort, dass eine blosse Mehrheit keineswegs zwangsläufig Recht und Gerechtigkeit garantiert.

Politische Probleme sind letztlich immer religiöse und moralische Probleme.

In einer homogenen Gesellschaft stützt sich der kollektive, demokratische Entscheid deshalb auf ein übereinstimmendes Wertverständnis der Bürgerinnen und Bürger. Dieses gemeinsame Weltbild hat seine Wurzeln regelmässig in einer bestimmten Religion oder mindestens in einem transzendentalen Gottesbezug. Dies gilt selbst für klassische Einwanderernationen wie die USA.

Christliche Tradition der Schweiz

Für moderne Ohren mag die Anrufung Gottes in der Verfassung sonderbar klingen. Für einen gläubigen Christen jedoch ist sie selbstverständlich, denn es gibt eigentlich keine Unterteilung zwischen Weltlichem und Heiligem. Alles, was wir tun, sollen wir «im Namen des Herrn» tun (Kol. 3:17). Auch für die Innerschweizer Talgemeinschaften war es klar, dass sie ihren Bund 1291 «in nomine domini» schlossen.

Die gemeinsame Anrufung «Gottes, des Allmächtigen» blieb auch über Jahrhunderte das verbindende Element einer – nach der Reformation – konfessionell gespaltenen Eidgenossenschaft. Eine Ausnahme war die von Napoleon diktierte Verfassung der Helvetischen Republik von 1798. Als der Spuk vorbei war, kehrte die Bundesurkunde zur Formel «Im Namen Gottes des Allmächtigen» zurück und blieb dabei bis zum heutigen Tag. Insbesondere nach dem Sonderbundskrieg von 1847 besann man sich auf die Anrufung Gottes – ohne konfessionellen Bezug, aber vor einem klar christlichen Hintergrund.

Ein neuer Kulturkampf

Aufgrund von Einwanderung aus fremden Kulturkreisen und als Folge der 68er-Ideologie wird die Gesellschaft in unserem Land jedoch heute zunehmend individualistischer, heterogener und agnostischer. Dabei spielt sich ein erneuter «Kulturkampf» ab: Es geht um die zentrale Frage, womit das bisher religiöse Wertefundament des Staates ersetzt werden soll.

Als kollektiver Religionsersatz zeichnet sich eine schwammige, linksliberale Ideologie der «politischen Korrektheit» ab. Auf den ersten Blick geht es dabei um ein Ausleben von Freiheit.

«Politische Korrektheit» als Religionsersatz

Ideologien führen aber nicht in die grosse Freiheit, sondern in entsetzliche Abgründe. Dies gilt auch für die heutige Ideologie des «alles ist erlaubt»-Linksliberalismus – allem Anschein von Toleranz zum Trotz. Beliebigkeit führt zum Verlust von Bindungsfähigkeit und zum gesellschaftlichen Zerfall. Dieser wiederum ist der ideale Nährboden für eine totalitaristische «politische Korrektheit», die das Vakuum füllt.

So ist es eine kleine Elite von Politikern, «Experten» und Medien, welche die Positionen dieser Ideologie der «political Correctness» definiert. In heiklen Fragen geht die Kontrolle der öffentlichen Meinung bereits so weit, dass man abweichende Haltungen – beispielsweise zur Homosexualität – nicht mehr zu äussern wagt oder gar das Strafgesetz fürchten muss (Art.261bis StGB).

Und wir als Christen?

Jesus betete (Joh. 17,16): «Sie (das sind wir, seine Jünger) gehören ebenso wenig zur Welt wie ich. Lass ihnen deine Wahrheit leuchten, damit sie in immer engerer Gemeinschaft mit dir leben.»

Als Christen leben wir in einem Konflikt mit «der Welt»:

  • Wir glauben an einen realen Gott. Die Mehrheit um uns herum glaubt das nicht.
  • Wir glauben, dass die Gesetze der Bibel und das natürliche Sittengesetz unserem Wohl dienen, sozusagen als Gebrauchsanleitung für ein gutes Leben. Die Mehrheit glaubt, Gesetze (und damit auch Gott) seien nur Spassverderber.
  • Wir glauben, der Sinn des Lebens bestehe darin, Gott und die Menschen zu lieben und ihm bzw. ihnen zu dienen. Die Mehrheit glaubt, der Sinn des Lebens (wenn es überhaupt einen gibt) bestehe darin, möglichst viel aus dem Leben heraus zu holen und so glücklich zu sein.

Wir stellen uns damit bewusst gegen «die Welt», gegen den «Mainstream». Die Reaktionen sind heftig. Christliche Gebote und Verbote sind nicht gern gesehen. Wir sind Aussenseiter. Bisweilen schlägt uns gar blanker Hass entgegen. Schliesslich sind wir mit unseren verbindlichen Wertvorstellungen die Spielverderber in der liberal-hedonistischen Spassgesellschaft.

Einige Verhaltenstipps

Wie gehen wir mit dieser Ausgrenzung um? Manchen macht das nichts aus. Sie haben Mut. Andere jedoch möchten sich lieber anpassen, gar den Glauben verheimlichen. Sie fühlen sich in «der Welt» definitiv nicht zu Hause.

Um bestehen zu können, sollten wir folgende Punkte beachten:

1. Jede Gesellschaft braucht Werte als normative Basis. Dies kann eine Religion oder eine Ideologie sein. Gegenwärtig findet ein Kulturkampf statt, wobei das Christentum schleichend als konstitutives Element des Staates durch eine Ideologie abgelöst wird.

2. Die Welt ist weitgehend säkularisiert. Säkulare glauben, Gott sei unnötig, denn es geht ihnen ja auch ohne ihn gut. Gebote und Verbote stören. Sie berufen sich stattdessen auf eine permissive «Toleranz».

3. Die Andersartigkeit der Christen wird als Angriff auf diese «Toleranz» verstanden. Wer die «Toleranz» hinterfragt, wird ausgegrenzt und verfolgt. Lassen wir uns nicht einschüchtern!

4. Das Recht, unseren Glauben zu bezeugen und zu missionieren, ist durch die Bundesverfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert. Wir berufen uns auf dieses Recht!

5. Wir sollten uns mutig auf kritische Fragen vorbereiten. Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen von der Überheblichkeit, mit der andere ihre säkulare Ideologie und eine angebliche «Toleranz» ausspielen.

(Celsa Brunner)

 

                                                                                                           

                                                                                    

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