Die Individualbesteuerung ist eine enorme Benachteiligung für traditionelle Familien mit nur einem Einkommen oder einem Haupteinkommen und kleinen Zweiteinkommen. Bevorzugt werden Doppelverdiener-Hocheinkommen.
Als Erstrat befasste sich der Nationalrat an seiner Herbstsession mit der Volksinitiative der linksliberalen Frauen (GLP, FDP, SP, Grüne) zur Einführung der Individualbesteuerung. Dabei beschloss er noch keine Abstimmungsparole zur Initiative, sondern diskutierte erst einmal einen indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates auf Gesetzesebene. Diesen hiess der Rat am 25. September mit 98 zu 93 bei 1 Enthaltung relativ knapp gut. Der Gesetzesentwurf geht nun in den Ständerat.
Die Idee hinter der Individualbesteuerung ist, dass verheiratete Eltern mit Kindern künftig nicht mehr als Wirtschaftsgemeinschaft, sondern als Individuen getrennt besteuert würden. Einkommen und Vermögen würden getrennt veranlagt und jede Familie müsste zwei getrennte Steuererklärungen ausfüllen – ein Albtraum mit 1,7 Millionen zusätzlichen Steuererklärungen. Zudem würden damit die Einnahmen aus der direkten Bundessteuer um rund 1 Milliarde pro Jahr reduziert. Die SP wollte gleich auch noch die permanente Finanzierung der familienexternen Kinderbetreuung mit in die Vorlage nehmen, was der Rat aber zurückwies.
Breiter Widerstand gegen Individualbesteuerung
Entschiedener Widerstand gegen die Individualbesteuerung kam von SVP/EDU und Mitte, die an der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft festhalten möchten. Die SVP beantragte mit zwei Minderheitsanträgen ein Voll- und ein Teilsplitting-Modell, was jedoch trotz Unterstützung der Mitte-Fraktion abgelehnt wurde.
Die Mitte-Partei selbst hat für die Abschaffung der Heiratsstrafe eine eigene Volksinitiative («Fairness Initiative») eingereicht, die voraussichtlich nächstes Jahr behandelt wird. Sie hält an der gemeinsamen Veranlagung der Ehegatten fest und fordert die Beseitigung der Heiratsstrafe mit einem Alternativmodell. So soll als alternative Steuerberechnung eine sog. «Schattenrechnung» vorgenommen werden. Dabei würde das Steueramt zwei Vergleichsrechnungen erstellen: Einerseits die bisherige gemeinsame Veranlagung plus eine zweite, wie sie für Konkubinatspaare gilt. Ehepaare könnten dann den günstigeren Betrag wählen, womit die steuerliche Heiratsstrafe für alle Verheirateten beseitigt wäre. Dieser Ansatz wird von der SVP unterstützt und dürfte auch für manche Freisinnige attraktiv sein. Eventuell wird der Ständerat bei der Behandlung des bundesrätlichen Gesetzesvorschlags hierauf zurückkommen.
Enorme Ungerechtigkeit
Bereits die Vernehmlassung zeigte die absurde Benachteiligung traditioneller Familien durch die Indivudalbesteuerung. So müsste etwa ein «modernes» Doppelverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern bei einem Reineinkommen von je 75’000 Franken künftig lediglich rund 700 Franken direkte Bundessteuer zahlen. Demgegenüber bekäme ein traditionelles Einverdiener-Ehepaar mit demselben Totaleinkommen von 150’000 Franken eine Steuerrechnung von über 4’000 Franken.
Besonders störend ist dies, wenn es sich bei Ersteren um zwei Teilzeit-Akademiker handelt und bei Letzteren um einen hart arbeitenden Berufsmann und eine Hausmutter. Die neue Steuerstrafe würde rund 600’000 solche Einverdiener-Ehepaare betreffen. Bundesrätin Karin Keller-Suter lässt sich von solchen Diskriminierungen allerdings nicht beeindrucken. Für sie ist die Individualbesteuerung eine ideologische Frage.