Am 30. August hat der Bundesrat die Eckwerte für eine Individualbesteuerung festgelegt. Diese betrifft nebst den Bundes- auch die Kantons- und Gemeindesteuern. Väter und Mütter müssten künftig separate Steuerklärungen ausfüllen. Traditionelle Familien mit nur einem Haupteinkommen würden massiv diskriminiert.
Gemäss Bundesamt für Statistik gab es Ende 2021 in der Schweiz 519’000 Haushalte mit drei und mehr Kindern. Insgesamt lebten rund 2,7 Mio. Menschen in diesen kinderreichen Grossfamilien. 95% der Eltern sind verheiratet und ganz normale, traditionelle Familien.
Viele dieser Familien versuchen sich als Einverdienerfamilien über Wasser zu halten, d.h. Hauptverdiener ist der Vater. Die Mutter betreut primär die Familie und verdient vielleicht stundenweise noch etwas dazu. Dies ist bei 78% der erwerbstätigen Frauen der Fall. Sie sind hierzu gezwungen, weil der Verdienst des Vaters nicht reicht
Bisher ist es so, dass der Grossteil dieses Zusatzverdienstes wegen der «Heiratsstrafe» bei den Steuern gleich wieder weggefressen wird. Das will der Bundesrat nun korrigieren.
Grünsozialisten und Liberale wollen Individualbesteuerung
Der Weg hierzu ist jedoch falsch. Auf Drängen der Liberalen (FDP, GLP) und der Linken (SP, Grüne) will er dies mit der Einführung einer Individualbesteuerung tun. Das schadet den kinderreichen Familien enorm – und zwar aus folgenden Gründen:
Künftig müssten Vater und Mutter zwei separate Steuererklärungen ausfüllen. Auch die Kinderabzüge würden neu hälftig aufgeteilt. Beim Elternteil, der kein oder nur ein sehr kleines Einkommen erzielt, gäbe es gar nichts abzuziehen – weil ja gar kein Einkommen da ist, von dem abgezogen werden könnte. Allein bei der Bundessteuer müssten Einverdienerfamilien und jene mit kleinen Zweiteinkommen mit einer Steuererhöhung von bis zu 2’000 Franken rechnen. Hinzu kommen noch Kantons- und Gemeindesteuern, die ebenfalls zur Individualbesteuerung übergehen sollen.
Von der «Heiratsstrafe» zur «Einverdienerstrafe»
Konkret werden somit traditionell organisierte Familien künftig massiv mehr besteuert als Familien, die gesamthaft das gleiche Einkommen erzielen, jedoch je zu ähnlichen Teilen von beiden Partnern erwirtschaftet. Dies ist auch ein Verstoss gegen die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit: Der Fiskus stellt nämlich nur noch auf die Einzelperson ab, unabhängig wieviele Personen vom erzielten Einkommen leben müssen. Die Familiengemeinschaft spielt keine Rolle mehr.
Einverdienerfamilien (und jene mit einem sehr kleinen Zweiteinkommen) würden damit künftig gleich doppelt benachteiligt, nämlich einerseits mit der «Einverdienerstrafe» und andererseits mit dem Fehlen eines Betreuungsabzugs. Eltern, die ihre Kinder selber betreuen oder im Familienkreis betreuen lassen, gehen nämlich leer aus. Demgegenüber profitieren Eltern, die ihre Kinder in die Krippe geben, von grosszügigen Subventionen und Abzügen.
Verfassungswidriges Regime
Das Bundesgericht hat ein derart diskriminierendes Regime seit Jahrzehnten als verfassungswidrig beurteilt. Demnach ist eine individuelle Veranlagung nur zulässig, wenn gleichzeitig als Abfederung für Einverdienerhaushalte ein neuer Abzug als Korrektiv eingeführt würde.
An der Vernehmlassung vom letzten Frühjahr hatten auch wir uns beteiligt – sowohl seitens «Jugend und Familie», als auch der IG «Familie 3plus»[1]. Damals war ein solcher Kompensationsmechanismus noch vorgesehen, womit Einverdienerfamilien einen Sonderabzug machen könnten. Die Steuererhöhung würde damit einigermassen korrigiert. In der aktuellen Vorlage hat Bundesrätin Karin Keller-Sutter dieses Korrektiv gestrichen.
Vernehmlassung einfach nicht beachtet
Karin Keller-Sutter (FDP) hat sich mit einer Nonchalance sondergleichen über die Vernehmlassungsergebnisse hinweggesetzt. Das Resultat der Umfrage war nämlich verheerend. Lediglich fünf Kantone (BE, BS, FR, LU, ZH) stimmten zu. Einen Wechsel zur Individualbesteuerung lehnen ab:
– 4 Parteien (die Mitte, EVP, EDU, SVP)
– 21 Kantone (AG, AI, AR, BL, GE, GL, GR, JU, NE, NW, OW, SG, SH, SO, SZ, TG, TI, UR, VD, VS, ZG)
– 14 Organisationen (Mitte Frauen Schweiz, Kantonale Finanzdirektorenkonferenz, Städtische Steuerkonferenz, Treuhänderverband, Freikirchen.ch, Ig3plus, Jugend & Familie, Bauernverband, Gewerkschaftsbund, GastroSuisse, VBSS, Centre Patronal, CVCI, Ligue vaudoise)
Die Vorlage geht nun ins Parlament, wo sie voraussichtlich nächstes Frühjahr behandelt wird. Theoretisch besteht dort die Möglichkeit für Nachbesserungen. Gleichzeitig ist allerdings noch eine Volksinitiative der FDP-Frauen hängig, die eine Einführung der Individualbesteuerung fordert. Zudem läuft bis 27. März 2024 noch die Unterschriftensammlung für die Volksinitiative «für faire Steuern», die von der «Mitte» gestartet wurde. Wir bleiben weiter am Thema dran.
Claudia Kaufmann, Leiterin Familienhilfe, AG «Jugend und Familie»
[1] www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/82271.pdf