Die Menschheit wird immer unfruchtbarer. Seit den 1950er-Jahren hat sich die Zahl der Geburten pro Frau halbiert – und wird weiter sinken. Diese Prognose präsentierte jüngst eine Forschergruppe in der Fachzeitschrift «The Lancet».
Wahrscheinlich liegt die kinderreichste Zeit bereits hinter uns. 2016 kamen weltweit 142 Millionen Babys zur Welt – so viele wie nie zuvor. Und so viele werden es wohl auch nie wieder sein. Bereits 2018 sank die Geburtenrate in der Mehrheit der Länder unter 2,1 Kinder pro Mutter. Bei der globalen Geburtenrate wird dies voraussichtlich 2030 der Fall sein. Eine Rate von 2,1 wäre nötig für eine Erneuerung der Generationen. Bereits 2021 sank die weltweite Geburtenzahl auf 129 Millionen. 2100 sollen dann nur noch etwa 72 Millionen Babys zur Welt kommen.
Globales Schrumpfen
Heute kommt jedes sechste Kind aus Indien. Ende des Jahrhunderts aber wird sich der Babyboom in Südasien gelegt haben und über die Hälfte aller Kinder stammt dann aus Afrika. Die meisten Kinder werden, so schätzen die «Lancet»-Autoren, in der Subsahara-Region leben. Vor allem Westeuropa wird mit niedrigen Geburtenraten kämpfen. Aber überall auf der Welt werden die Geburtenzahlen schrumpfen.
Nach 2030 dauert rund weitere 30 Jahre, bis die tiefe Geburtenrate zur Schrumpfung der Gesamtbevölkerung führt. Bis dahin haben die Kinder der wachstumsstarken Jahre noch selber Kinder und kompensieren die tiefere Geburtenrate. Danach jedoch kommen die geburtenschwachen Jahrgänge und haben selber auch wieder nur wenige Kinder. Die «Lancet»-Forschergruppe sagt voraus, dass 2100 nur noch 3% aller Länder eine Geburtenrate über 2,1 haben werden, darunter Tschad, Niger, Somalia und Tadschikistan.
Frauen wollen keine Kinder mehr
Staatliche Massnahmen wie Elternurlaub, Kindergeld und Kinderbetreuung sind gegen sinkende Geburtenraten fast wirkungslos. Die globale Fertilitätsrate könnte damit bis 2100 bestenfalls um etwa 0,1 Kinder pro Frau angehoben werden. Die Forscher stützen sich dabei auf Daten aus Ländern, die bereits Massnahmen zur Geburtenförderung getroffen haben. Wichtiger ist das Sozialverhalten der Frauen, die schlicht keine Kinder mehr haben möchten.
Auch die UNO geht in ihrer Weltbevölkerungsstatistik 2022 von einem raschen Sinken der globalen Fertilitätsrate aus, sieht danach jedoch ein Einpendeln bei 1,75 Geburten pro Frau. Die Forscher in «The Lancet» glauben nicht an eine solche Erholung: «Wir stehen im 21. Jahrhundert vor einem erschütternden sozialen Wandel», erklärte Stein Emil Vollset, Mitglied der Forschungsgruppe.
Unsicherheiten
Wie sich Wirtschaft, Gesellschaft (Lebenserwartung) und Gesundheit (Krankheiten und Seuchen) entwickeln und die Geburtenrate beeinflussen werden, kann allerdings niemand verlässlich vorhersagen. Ebenso wenig lassen sich die weltweiten Migrationsströme einschätzen. Unter den wohlhabenden Industrienationen könnte gegen Mitte und Ende des Jahrhunderts ein regelrechter Wettkampf losbrechen um gut qualifizierte Migranten, sagen die «Lancet»-Forscher voraus.