Selbst das Vaterunser ist nicht mehr heilig, zitierte die NZZ am Sonntag vor kurzem, und berichtete von einem Vorstoss in der anglikanischen Kirche. Dieser verlangt, dass Gott künftig genderneutral benannt wird. Das Problem liegt auf der Hand, meint die NZZ. Denn das Christen- und Judentum kenne einen männlichen Gott.
Nein, sage ich dazu entschieden: Wir sprechen Gott zwar als Vater an, aber er ist nicht männlich. Die Theologiegeschichte zeigt, dass bereits im 4. Jahrhundert debattiert wurde, ob Gott männlich sei. Immer wenn wir von Gott sprechen, bedienen wir uns Bilder, die unserer Welt entnommen sind. Der unendliche und ewige Gott ist aber immer mehr als die Bilder, welche wir uns von ihm machen.
Wenn wir Gott als Burg bezeichnen, ist für alle klar, dass es nicht um einen Steinhaufen geht. Und so will auch die Anrede Vaterunser sagen, dass wir alle unseren gemeinsamen Ursprung in Gott haben. Wir dürfen ihn auf einer sehr persönlichen und intimen Ebene mit «Abba» ansprechen.
Diese Anrede macht Gott aber nicht zu einem sexuell definierten Wesen. Gott ein bestimmtes Geschlecht zuzuweisen war Sache der heidnischen Götterverehrung, nie aber der Juden und Christen. Darum braucht die Bibel auch ganz entspannt auf Begriffe aus der weiblichen Bildsprache (Amme, Mutter etc.). Und sie nutzt genderneutrale Begriffe wie «Licht» und «Liebe».
Jedoch ausschliesslich nur auf diese zu setzen, verschlimmbessert die Situation lediglich. denn damit wird die personale Seite Gottes ausradiert. Ein «Licht» ist kein Du, kein Gegenüber, zu dem ich mich in Not vertrauensvoll hinwenden kann. Das Vaterunser muss nicht abgeändert werden, denn Gott ist weder Mann noch Frau. In der Vielfalt der biblischen Gottesbegriffe liegt ein grosser Reichtum, den wir durch solche gut gemeinte, aber schädliche Eingriffe verlieren würden.
Andi Bachmann-Roth (Vater von vier Kindern) im idea