Hinter familienpolitischen Vorstössen im Parlament stecken oft mehr wahltaktische Überlegungen und Ideologie, als Familienfreundlichkeit. Besonders traurig ist der Druck auf die Mütter zur Aufnahme einer Erwerbsarbeit. Verkauft wird dies als «Vereinbarkeit von Familie und Beruf».
Zuerst die Fakten: Ende 2021 gab es in der Schweiz rund 2,4 Mio. Menschen im Alter bis 25 Jahre. Davon waren 1,74 Millionen Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre – so viele wie noch nie. Sieben von zehn Frauen und sechs von zehn Männern sind Eltern eines oder mehrerer Kinder. Deren Zahl steigt im Zuge des allgemeinen Bevölkerungswachstums stetig. Das ist positiv, denn so vermeiden wir eine Überalterung wie in Japan. Bedauerlich ist nur, dass das Wachstum einzig aufgrund von Einwanderung stattfindet. Die hiesigen Frauen haben mit 1,48 Kindern pro Mutter weiterhin weniger als 2,1 Kinder, die für eine Erneuerung der Generationen nötig wären.
Familie macht glücklich
Überraschend ist auch, dass Dreiviertel (74,3%) aller Kinder und Jugendlichen in einer traditionellen Familie leben. Konkret: Mit dem eigenen Vater und der eigenen Mutter, die verheiratet sind. Hinzu kommen 10,1% Konkubinatspaare mit Kindern und 3,2% Patchwork-Haushalte. 13,4% der Kinder und Jugendlichen bei alleinerziehenden Müttern und Vätern.
Familienleben macht auch glücklich. So ergab die Studie «Familien in der Schweiz» des Bundesamtes für Statistik (BfS) vom Mai 2021, dass die familiäre Situation grossen Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden hat. 83% aller Personen in Paarhaushalten mit Kindern bezeichnen ihre gesundheitliche Situation als «gut» bis «sehr gut», während nur 24% der Alleinlebenden unter 65 Jahren mit ihrem Leben sehr zufrieden sind. Entsprechend gross ist auch der Kinderwunsch junger Menschen: 92% der 20 – 29-jährigen Schweizerinnen und Schweizer wünschen sich eines oder mehrere Kinder.
Kinder sind teuer
Allerdings sind Kinder kostspielig. Im Oktober 2022 errechnete der Kantonalbanken-Verband die aktuellen Kinderkosten. So kostet ein Kind durchschnittlich über 18 Lebensjahre hinweg rund 330’000 Franken (direkte Kosten). Hinzu kommen noch indirekte Kosten wie die Reduktion eines Arbeitspensums der Mutter, eine reduzierte Altersvorsorge (geringere Einzahlungen 2. Säule) oder lange Ausbildungen wie ein Arztstudium. Dann werden es schnell mal 500’000 Franken.
Hohe Belastung mit Steuern
Die höchsten Ausgaben (30,2 %) pro Familie liegen bei den Steuern, Gebühren und anderen Zwangsabgaben. Bei den Bundessteuern beginnt die Besteuerung bei 17’800 Franken Einkommen (Alleinstehende), bzw. 30’800 Franken (Verheiratete und Einelternfamilien). Bei den Kantons- und Gemeindesteuern liegt die Schwelle fast überall unter 10’000 Franken.
Eltern mit zwei Kindern und einem Bruttoeinkommen von 6’000 Franken/Monat sollten keine Steuern bezahlen müssen – vor allem keine Kantons- und Gemeindesteuern! Sie leisten mit der Versorgung ihrer Kinder bereits einen grossen Beitrag und sollten vom Staat nicht noch weiter ausgequetscht werden. Wären die Steuern nicht so hoch, müssten auch nicht so viele Mütter ein Zusatzverdienst suchen. Viele von ihnen arbeiten nur für die Steuern!
An zweiter Stelle folgen die Wohnkosten (13,1% des Budgets). Familien mit drei oder mehr Kindern finden schwer eine bezahlbare Wohnung. Die Folge sind ein Wegzug aufs Land und langer Arbeitsweg für den Vater. Erst nachher folgen «übrige Ausgaben» wie Essen (7,8%), öV-Abos (7,3%) und Sonstiges. Sie liegen bei einem Kind durchschnittlich bei 638 Franken/Monat, bei zwei Kindern bei 1’305 Franken und bei drei oder mehr bei 1’783 Franken. Diese Kosten nehmen mit dem Alter der Kinder zu.
Kinderzulagen nur beschränkt sinnvoll
So ist eine grosse Kinderschar für die Eltern zwar eine Freude, aber auch ein Kraftakt. 13% der Paarhaushalte mit Kindern kommen gemäss der BfS-Studie finanziell nur schwer durch. Bei den Alleinerziehenden beziehen gar 21% Sozialhilfe. Sie kriegen Familienpflichten und Erwerbsarbeit nur schwer auf die Reihe und der betreuende Elternteil (meist die Mutter) kann oft nur beschränkt arbeiten. Selbst mit Alimenten reicht es dann nicht.
Die kantonalen Kinderzulagen (Minimum: 200.00 Franken/Kind) bringen vor allem Grossfamilien etwas Erleichterung. Im Giesskannensystem gehen sie aber auch an Einkommensmillionäre, die sie gar nicht brauchen. Besser wäre es, jenen höhere Zulagen zu geben, die es wirklich benötigen. Auch Steuerabzüge helfen, allerdings nur bei ausreichendem Einkommen.
Problem Krankenkasse
Die ebenfalls kantonal geregelten Prämienverbilligungen fallen für viele Familien stark ins Gewicht. 2020 erhielten 28% der Versicherten eine Prämienverbilligung von total 5,5 Mia. Franken, wovon gut die Hälfte vom Bund stammte. Gemäss der Standard-Modellrechnung ist eine Familie mit zwei Kindern (3,5 und 5 Jahre) bei einem Bruttoeinkommen unter 70’000 Franken zu einer Prämienverbilligung berechtigt.
Eine hängige Volksinitiative möchte die KVG-Prämien auf 10% des verfügbaren Einkommens begrenzen. Gemäss einem kürzlichen BAG-Bericht lag jedoch die Belastung der für eine Verbilligung berechtigten Haushalte – gemessen an den effektiv bezahlten Prämien – 2020 bei durchschnittlich 9,4% des Einkommens. Eine 10%-Grenze macht insofern wenig Sinn.
Problematischer ist, dass manche Kantone den Kreis der Berechtigten stetig einschränken. Eine Mehrheit von 19 Kantonen stützt sich für die Ermittlung des IPV-Anspruchs auf die Steuerdaten des Vorvorjahres. War das Einkommen rückblickend zu hoch, so müssen die erhaltenen Prämien zurückbezahlt werden. Dies löst bei kinderreichen Familien oft krasse Härtefälle aus.
Druck auf die Mütter
Kinder beeinflussen die Funktion der Eltern. Gemäss der schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) 2022 sind 96,8% der Väter und hohe 82,3% der Mütter erwerbstätig. Vier von fünf erwerbstätigen Müttern (78%) arbeiten jedoch Teilzeit. Sie sind dazu gezwungen, weil das Verdienst des Vaters nicht ausreicht.
Tatsächlich versuchen Staat und Wirtschaft die Frauen zwecks Produktivitätssteigerung mit allerlei Mitteln in den Erwerbsprozess zu nötigen. Dies führt bei Müttern kinderreicher Familien oft zu untragbaren Doppelbelastungen von Haus- und Erwerbsarbeit. Bei unserer Hilfstätigkeit begegnen wir immer wieder Müttern, die an dieser Situation zerbrechen.
Mit Beratung und Unterstützung versuchen wir in solchen Notlagen zu helfen. Oft gelingt dies, etwa indem wir der Mutter eine Familienhilfe schicken oder ihr einmal eine Auszeit ermöglichen. Es darf jedoch nicht sein, dass unsere gemeinnützigen Bemühungen vom Staat direkt unterlaufen werden. Wenn der Staat seine intakten, vor allem kinderreichen Familien aus ideologischen Gründen kaputt macht, so schadet er sich selbst.
Für jene Familien, die sich ohne Sozialhilfe eigenständig über Wasser zu halten versuchen, wären Steuerbefreiungen bis zu einem bestimmten Einkommen eine nachhaltige Entlastung. Es ist traurig, dass gerade die Mitte-links Parteien dies nicht einsehen wollen und stattdessen permanent auf höhere Steuern und Abgaben setzen.
Regula Nikles
Zahlen zur Familienarbeit
Seit gut 20 Jahren schätzt das Bundesamt für Statistik (BfS) alle drei bis vier Jahre das Ausmass der unbezahlten Arbeit in der Schweiz. Berechnungsgrundlage sind die Kosten, wenn die betreffende Arbeit extern vergeben würde.
Tischdecken und Abwaschen schlagen demnach mit 36 Franken/Stunde zu Buche und kosten – wie Waschen und Bügeln – ökonomisch am wenigsten. Am höchsten bewertet ist die Kinderbetreuung: Wer bei Hausaufgaben hilft, mit ihnen spielt oder spazieren geht, generiert einen fiktiven Wert von 55,7 Franken/Stunde. Administrative Tätigkeiten sind mit 50 Franken bewertet. Am zeitintensivsten ist die Betreuung von Kindern, gefolgt von Mahlzeitenzubereitung und Putzen. Insgesamt ergibt sich ein jährlicher Gesamtwert der unbezahlten Arbeit der Bevölkerung (ab 15 Jahren) von 434 Mia. Franken. Die Haushaltsarbeit macht dabei den Hauptanteil aus. Ihr Gesamtwert beläuft sich auf 319 Mia. Franken, der Wert der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Erwachsenen auf 82 Milliarden. Dazu kommt Freiwilligenarbeit – etwa in Vereinen oder politischen Parteien – mit 33 Milliarden. Frauen wenden im Schnitt 29 Stunden pro Woche für Haus- und Familienarbeit auf, während es bei den Männern 19 Wochenstunden sind. Die traditionelle Rollenverteilung spielt in den Familien also nach wie vor.