Die extremistische politische Organisation «Sexuelle Gesundheit Schweiz» (SGCH) will einen Vorstoss lancieren, die Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch zu entfernen und diese damit völlig zu entkriminalisieren. Als Konsequenz wären Kindstötungen auf Veranlassung der Mutter bis zur Geburt möglich. Umgesetzt werden soll das Vorhaben mittels einer parlamentarischen Initiative von Nationalrätin Léonore Porchet (Grüne/VD), welche auch die SGCH auch präsidiert. Wie Porchet meint, sei die Fristenregelung für Frauen «bevormundend und stigmatisierend».
In der heutigen ärztlichen Praxis wird Abtreibung effektiv ausschliesslich noch nach dem psychischen Wohlbefinden der Frau beurteilt. Zwar verlangt Art. 119 Abs.1 StGB theoretisch, dass die Gefahr einer «schweren seelischen Notlage» umso grösser sein müsse, je fortgeschrittener die Schwangerschaft sei. In der Realität ist eine Abtreibung – auch eine Spätabtreibung – jedoch immer möglich. Die Vorgaben des Strafrechts sind eine Fiktion und jährlich gibt es nur noch zu drei bis vier Verurteilungen wegen Schwangerschaftsabbruch. Von «bevormundend und stigmatisierend» kann deshalb keine Rede sein.
Mit einer völligen Entkriminalisierung der Abtreibung stellt sich jedoch die Frage, wieso ausgerechnet die Geburt der alles entscheidende Zeitpunkt sein soll. Schliesslich werden bei Spätabtreibungen bereits heute lebensfähige Kinder liquidiert. Um Lebendgeburten zu verhindern, müssen diese «sicherheitshalber» vor der Geburt im Mutterleib gezielt getötet werden (Fetozid).
So stellt sich bei einer Entkriminalisierung der Abtreibung die Frage, wieso die Mutter Kindstötungen nicht erst nach der Geburt beschliessen kann. Auch ein bereits geborenes Kind führt bei der Mutter eventuell zu einer «schweren seelischen Notlage» – etwa wenn der kleine Schreihals den Schlaf und das Berufsleben doch mehr stört, als zuvor erwartet. Nichts spricht dafür, hier einer Kulanzperiode von beispielsweise drei Monaten einzuführen, während denen die Mutter ihr Kind nachträglich liquidieren lassen könnte. Vielleicht könnte die Vereinigung «Sexuelle Gesundheit Schweiz» das konsequenterweise ja auch noch vorschlagen. Falls die parlamentarische Initiative Porchet im Nationalrat zur Abstimmung kommt, so darf man auf das Verhalten von «Die Mitte» gespannt sein. Es wird wahrscheinlich der Moment sein, in dem sich die «Mitte»-Parlamentarierinnen und Parlamentarier auch noch vom letzten Rest christlich-abendländischer Ethik verabschieden.