Die wachsende Säkularisierung fordert uns heraus. Bekennende Christen werden zunehmend als Exoten angesehen, teilweise auch als Störfaktor der Spassgesellschaft. Dies kann bis zu Verfolgungssituationen gehen. Gleichzeitig sollten wir jedoch versuchen, den Draht «zur Welt» nicht zu verlieren.
Seit Jahren laufen Bestrebungen, christliche Symbole aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. So will die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) die Nationalhymne von «religiösem Ballast befreien».
In einer parlamentarischen Initiative vom 21. März 2021 forderte SP-Nationalrat Fabian Molina zusammen mit anderen SP-, grünen und grünliberalen Parlamentariern, den Gottesbezug aus der Bundesverfassung zu streichen. Der Bezug auf einen christlichen Gott widerspreche der religiösen Neutralität des Staates und sei angesichts der zunehmenden Säkularisierung nicht mehr zeitgemäss.
Und schliesslich kommen immer mehr Berufsgattungen unter Druck: Von Lehrern wird unter Berufung auf die «Wissenschaft» eine Verleugnung der christlichen Botschaft verlangt und den Psychologen und Psychiatern werden Konversionstherapien für Homosexuelle verboten.
Laizität und Laizismus
Primär sollen mit der «Laizität» (laïcité) die christlichen Symbole aus dem öffentlichen Raum verschwinden. 1905 wurde in Frankreich mit diesem Konzept die Trennung von Kirche und Staat verfügt. Auch Genf kennt das Gebot der religiösen Neutralität des Staates. Öffentlichen Angestellten und selbst Politikern ist dort verboten, sichtbar ein Kreuz um den Hals zu tragen oder sich religiös zu «outen».
Von der Laizität zu unterscheiden ist der Kampfbegriff des «Laizismus» (wie der Islam vom Islamismus zu unterscheiden ist). Bei Laizismus sollen nicht nur die Symbole des Christentums, sondern auch die christlichen Wertvorstellungen aus der staatlichen Sphäre getilgt werden. Meist geht dies Hand in Hand mit der Forderung nach Säkularisierung.
Beim Laizismus und Säkularismus handelt es sich um eine rein im Diesseits verwurzelte (d.h. immanentistische) Weltanschauung, die jeden (transzendentalen) Jenseits-Bezug ablehnt. Mit dieser Verneinung jeder metaphysischen Basis wird jedes religiös oder naturrechtlich begründete Wertesystem verunmöglicht.
«Zivilreligion» statt christlicher Werte
Andererseits benötigt jede Gesellschaft für ihren Zusammenhalt einen minimalen Wertekonsens. Der Laizismus ersetzt deshalb das religiöse Wertesystem durch eine agnostische «Zivilreligion». Diese wird durch die in einer Gesellschaft vorherrschenden «Trends» bestimmt. Manche sprechen auch von «Wertewandel». Ein solcher kann von oben kommen – etwa wenn totalitäre Systeme den religiösen Glauben verbieten und ihren Bürgern einen atheistischen, beispielsweise marxistischen Kodex aufzwingen.
In demokratischen Gesellschaften erfolgt der Wertewandel demgegenüber durch die Relativierung christlicher Gebote. Alles wird relativ, verhandelbar und käuflich – selbst der menschliche Körper. Es ist bloss eine Frage des Preises, des Geldes. Letztlich decken sich diese Vorstellungen mit der Ideologie des Liberalismus.
Der Liberalismus relativiert moralische Vorschriften und stellt ethische Entscheide in die Beliebigkeit des einzelnen. Eine verbindliche, objektiv erkennbare Ethik wird verneint und das natürliche Sittengesetz ausgeschaltet: Alles was machbar ist, wird schliesslich auch gemacht. Dies gilt für die Embyonenforschung und Gentechnologie genauso wie für das Eherecht. Die Verfassungsrechtler sprechen dabei von der «normativen Kraft des Faktischen».
Leere Landeskirchen
Oft überlebt zwar eine oberflächliche religiöse Symbolik – wie das Kreuz auf der Bundeskuppel – aber die Rechtsordnung wird von christlichen Werten gesäubert. Die Kirchen sind oft leer und verarmen geistlich, während die Kirchensteuern fliessen (vor allem von Firmen).
Die Kirche lebt von der persönlichen Verbindung des einzelnen Menschen zu Jesus Christus, unserem Herrn und Erlöser. In der Gemeinde wird diese Verbindung gemeinschaftlich gelebt und erfahren. Und in der Familie geben wir sie – als Eltern – an unsere Kinder weiter. Damit verbunden ist auch das Recht auf Erziehung unserer Kinder nach unseren christlichen Wertvorstellungen.
Christen als Ärgernis
Dem militanten Liberalismus und dem damit verbundenen Laizismus ist das gelebte Christentum ein Ärgernis. Mit ihrem verbindlichen Wertekanon stehen Christen im Widerspruch zur «alles ist erlaubt»-Spassgesellschaft. Sie stören den Relativismus der vorherrschenden «Zivilreligion».
Bei ethisch sensitiven Themen – von der Abtreibung über die Sterbehilfe bis zur «Ehe für alle» – reagiert die ach so «tolerante» Mehrheit deshalb sehr schnell unwirsch, wenn sich bekennende Christen zu Wort melden. Selbsternannte Sektenexperten «entlarven» in den Mainstream-Medien die «fundamentalistischen Eiferer». Selbst das Staatsfernsehen macht bei Hetzjagden auf bekennende Christen bisweilen gern mit.
Übergriffiger Staat
Säkularismus bedeutet oft, dass der Staat mit einem Religionsersatz übergriffig wird. Er verkündet quasireligiöse Wahrheiten und Moralvorstellungen, beginnt zu heiligen und zu exkommunizieren. Bundesämter und parastaatliche Kommissionen erklären unter Verweis auf höhere Werte (Solidarität, Gesundheit, Antidiskriminierung) bestimmte politische Programme als verbindlich.
Mit der «Ehe für alle» werden Kirchen eventuell zur Segnung gleichgeschlechtlicher Ehen gezwungen, weil sie sich sonst einer Diskriminierung gemäss Artikel 261bis StGB schuldig machen. Die Evangelische Allianz (SEA) will sich für die Gewissensfreiheit von Pfarrpersonen auch der öffentlich-rechtlichen Kirchen einsetzen. Aber was, wenn es zu ersten Verurteilungen kommt?
Die Auseinandersetzung um grosse ethische Fragen wird weitergehen: Von der Leihmutterschaft über die Selektion bei Abtreibungen und genetische Eingriffe beim Embryo bis hin zum Klonen von Menschen. Auch das Familienrecht steht weiter unter dem Druck eines «Wertewandels»: Wieso dürfen nicht auch inzestuöse Erwachsene heiraten, wenn sie sich lieben? Wieso nicht der Vater seine erwachsene Tochter, der Bruder seine Schwester? Die Ehe soll ja «für alle» sein, die «sich lieben».
Wie reagieren wir?
Für uns als christliche Minderheit stellt sich in der säkularen Gesellschaft die Frage, wie wir uns verhalten. Paulus gab uns die Empfehlung: «Passt euch nicht den Massstäben dieser Welt an, sondern lasst euch von Gott verändern, damit euer ganzes Denken neu ausgerichtet wird.» (Römer 12,2) Und Jesus betete (Joh 17,16): «Sie (das sind wir, seine Jünger) gehören ebenso wenig zur Welt wie ich. Lass ihnen deine Wahrheit leuchten, damit sie in immer engerer Gemeinschaft mit dir leben.»
So gibt es Fälle, wo Widerstand nötig ist – etwa wenn Medizinalpersonal zur Mitwirkung bei Abtreibungen oder Sterbehilfe genötigt wird. Oder wenn an öffentlichen Schulen das elterliche Erziehungsrecht unterlaufen und den Kindern ein Weltbild vermittelt wird, das sie gegen religiöse Vorgaben aufhetzt. Die Bibel sagt in Apostelgeschichte 5, 29: «Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.»
Auf Verfolgung einstellen
Christen geraten dabei leicht unter Verfolgung. Die Wiener Beobachtungsstelle gegen Intoleranz und Diskriminierung von Christen in Europa (Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians in Europe, OIDAC) dokumentiert solche Vorfälle. Und sie nehmen seit 2017 dramatisch zu. 2019 wurden in Europa rund 3’000 christliche Kirchen, Schulen, Friedhöfe, Denkmäler zerstört, verbrannt oder verunstaltet. Das sind fünf Angriffe pro Tag!
Doch sind wir vor dieser Entwicklung gewarnt. «So werden alle, die in der Gemeinschaft mit Christus Jesus ein frommes Leben führen wollen, verfolgt werden» sagt uns Paulus in 2Tim 3,12. Man muss diese düstere Prognose nicht unbedingt teilen. Sicher aber ist, dass das Verbot von Kundgebungen wie der «Marsch fürs Läbe» («Keine Meinungsäusserungsfreiheit für Fundis»), das Attackieren, Stigmatisieren und Ausgrenzen von Christen keinen medialen Aufschrei und keine Solidaritätsbekundungen auslösen.
Wir tun deshalb gut daran, frühzeitig Netzwerke aufzubauen, um Verfolgte und ihre Familien in ihrer Not auffangen und unterstützen zu können.
Den Faden nicht verlieren
Andererseits müssen wir lernen, «in der Welt, aber nicht von der Welt» (Joh 17) zu sein. Jesus sagte, dass seine Jünger in der gleichen Weise «in» der Welt sein sollten, wie er es gewesen war: «Wie du mich gesandt hast in die Welt, so sende ich sie auch in die Welt» (Joh 17,18). Wir sind zwar Fremdlinge, aber nicht fremd. So gibt es auch jene weniger fundamentalen Situationen, in denen wir erkennen, dass wir zwar anders sind, aber die Schnittmenge an Gemeinsamkeiten mit «der Welt» doch genügend gross ist, dass wir noch dazugehören / ernst genommen werden / miteinander reden und leben können. Dies gilt nicht zuletzt, weil wir ja trotz allen Anfeindungen einen Missionsauftrag haben (Mt 28,19–20). Wir sollten deshalb andere nicht verurteilen und die Tür für das Gespräch offenlassen. Schliesslich sollen ja auch andere die Freude erleben, mit uns zusammen den dreieinigen Gott kennen zu lernen.
Celsa Brunner