Organtransplantation: Untauglicher Gegenvorschlag

Gemäss einem Vorschlag des Bundesrates sollen künftig Organe automatisch entnommen werden dürfen, wenn der Verstorbene nicht explizit Widerspruch äusserte. Die Menschenwürde am Lebensende wird damit weiter eingeschränkt.

Jedes Jahr sterben in unserem Land Menschen, weil sie dringend ein neues Organ benötigen und ein solches nicht verfügbar ist. Um dies zu ändern wurde im März 2019 die Volksinitiative «Organspende fördernLeben retten» eingereicht. Sie fordert, Artikel 119a BV mit einem neuen Absatz 4 zu ergänzen, wonach bei Verstorbenen die Zustimmung zu einer Organtransplantation vermutet wird, sofern sie nicht zu Lebzeiten eine klare Ablehnung äusserten («Widerspruchslösung»).

Indirekter Gegenvorschlag

Am 25. November 2020 legte der Bundesrat dem Parlament als indirekten Gegenvorschlag zur Initiative eine Revision des Transplantationsgesetzes vor. Dieser wird als «erweiterte Widerspruchslösung» bezeichnet. Heute ist eine Organspende nur möglich, wenn eine Zustimmung vorliegt (sogenannte Zustimmungslösung). Nach der «erweiterten Widerspruchslösung» soll nun – wie bei der Initiative – das Umgekehrte gelten: Wer keine Organe spenden möchte, muss dies neu explizit festhalten. Bereits 16-Jährigen dürften Organe entnommen werden, wenn sie nicht explizit widersprochen haben. Spender könnten auch verunfallte Touristen sein, die von der Schweizer Gesetzgebung keine Ahnung haben.

Im Unterschied zur Initiative sollen bei der «erweiterten Widerspruchslösung» jedoch auch die Angehörigen bei einer Organspende einbezogen werden. Findet sich kein dokumentierter Wille des Verstorbenen, so sollen sie befragt werden und könnten einer Organentnahme widersprechen, allerdings nur wenn dies dem mutmasslichen Willen des Verstorbenen entspricht.

Keine Alternative zur Initiative

Der «Gegenvorschlag» bildet deshalb keine echte Alternative zur Organentnahme-Initiative. Vielmehr macht auch er Personen, die sich nicht wehren können, zu Organlieferanten.

Besonders problematisch ist, dass der «Gegenvorschlag» keine Minimalfristen für die Suche nach einem dokumentierten Widerspruch und nach Angehörigen festlegt, sondern dies auf Verordnungsstufe regeln will. Der Bundesrat könnte dies in Eigenregie ändern und die Fristen immer weiter verkürzen. Das Ausfindigmachen des Willens des Verstorbenen und die Suche nach Angehörigen würden damit faktisch unterlaufen.

Andere Wege wären möglich

Wenn Menschen sterben, weil sie kein Spenderorgan erhalten, so ist dies ein trauriger Missstand, dem tatsächlich Abhilfe geschaffen werden muss. Allerdings gäbe es hierfür andere Möglichkeiten, wie beispielsweise Informationskampagnen.

Man darf sich keine Illusionen machen: Der Organhandel ist ein riesiges Geschäft. Zudem erfolgt die Organentnahme oft sehr früh (zu früh) nach einer vermeintlichen Todesfeststellung – in einem Zeitpunkt, in dem ein Überleben noch nicht völlig ausgeschlossen werden kann.

Aushöhlung des Lebensschutzes

Die Widerspruchslösung ermöglicht das Ausnutzen von Zwangslagen, Abhängigkeiten, Unerfahrenheit, Unwissen, Unfähigkeit und Schwäche im Urteilsvermögen vieler Personen. Sie werden zu Organlieferanten, ohne davon zu wissen oder sich wehren zu können. Wie bei der «Suizidbeihilfe» wird damit der Schutz des menschlichen Lebens am Lebensende schleichend überlaufen. Die Debatte über den Bundesrätlichen Vorschlag ist im Nationalrat für den 4. Mai angesetzt.

                                                                  

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