Ehe für alle: Showdown im Ständerat

Am 1. Dezember hiess nach dem Nationalrat auch der Ständerat mit 20 zu 5 Stimmen bei 3 Enthaltungen die Einführung einer «Ehe für alle» gut. Ein entsprechendes Resultat hatte sich bereits abgezeichnet, nachdem die vorberatende Rechtskommission der Vorlage am 13. November knapp zugestimmt hatte. Zwar hatte es eine kleine Verzögerung gegeben, weil die Kommission am 19./20. Oktober noch weitere Gutachter anhörte. Umstritten war aber vor allem die Frage, ob für die Einführung der «Ehe für alle» nicht doch eine Verfassungsänderung nötig sei.

Klarer Schutz der Ehe in der Bundesverfassung

Tatsächlich schützt Artikel 14 BV das Recht auf Ehe und Familie. Es ist auch allseits unbestritten, dass diese «Institutsgarantie» nur die herkömmliche Ehe als auf Dauer ausgerichtete Lebensgemeinschaft von Mann und Frau umfasst. Diese staatlich geordnete eheliche Gemeinschaft von Frau und Mann bildet die optimale Grundlage für heranwachsende Nachkommen und ihren rechtlichen Schutz.

Nach dem Willen des Nationalrats soll diese klare Verfassungsbestimmung nun durch eine widersprechende Regelung auf Gesetzesstufe unterlaufen werden. Konkret geändert werden soll das ZGB. Den Weg hierfür geebnet hatte ein Gefälligkeitsgutachten des Bundesamtes für Justiz vom Sommer 2016, das ganz unverblümt zum Verfassungsbruch aufrief.

Aushebeln der Verfassung im Zivilgesetzbuch

Dieses Gutachten geht darin davon aus, «dass Lehre und Rechtsprechung bei der Auslegung von Artikel 14 BV der Entwicklung des gesetzlichen Instituts der Ehe und insbesondere einem etwaigen Entscheid des Gesetzgebers zur Öffnung der Ehe für Personen gleichen Geschlechts Rechnung tragen werden.» Kurz: Auf Gesetzesstufe soll absichtlich verfassungswidriges Recht gesetzt werden, um damit das Bundesgericht zu einer Änderung der Auslegung von Artikel 14 BV zu nötigen. Dies möglich, weil wir kein Verfassungsgericht haben und Bundesgesetze deshalb für das Bundesgericht verbindlich sind. Es ist unfassbar, wie unverblümt sich das Bundesamt für Justiz als Verwaltungsstelle in die Politik einmischt.

Klar entlang der Parteilinien

Es ist sehr bedauerlich, dass der Ständerat am 1. Dezember mit 22 zu 20 Stimmen bei zwei Enthaltungen diese Sichtweise knapp guthiess und damit die Notwendigkeit einer Verfassungsänderung ablehnte. Die Fronten verliefen praktisch entlang der Parteilinien: Während SVP und CVP ein solches Vorgehen – mit Ausnahme von Brigitte Häberli-Koller – geschlossen ablehnten, hiessen es die Grünen und die Sozialisten ebenso geschlossen gut. Praktisch geschlossen für ein Eintreten auf die Gesetzesänderung stimmte auch die FDP. Mit grossem Mut wandte sich als einziger FDP-Vertreter der St. Galler Martin Schmid gegen diesen Trend. Zwei FDP-Ständeräte, nämlich Josef Dittli und Hans Wicki, enthielten sich immerhin der Stimme.

Die Enttäuschung hat einen Namen: Brigitte Häberli-Koller

Beim knappen Resultat von 22 gegen 20 Stimmen hätte es gereicht, wenn ein einziger Ständerat sein Stimmverhalten geändert hätte. Eine enorme Enttäuschung ist deshalb das Verhalten von CVP-Ständerätin Brigitte Häberli-Koller. Sie hat mit ihrem Stimmverhalten eine Verfassungsänderung mit obligatorischem Ständemehr verhindert. Wäre es nämlich zu einem Patt gekommen, so hätte Sitzungspräsident Alex Kuprecht (SVP/SZ) zweifellos den Stichentscheid für eine Verfassungsänderung gegeben.

Wieso diese Angst vor einer Volksabstimmung?

Die Angst der Befürworter einer «Ehe für alle» vor dem Ständemehr ist unverständlich, prophezeien ihnen doch alle Umfragen einen riesigen Vorsprung. Eine Umfrage von Pink Cross ergab offenbar eine Mehrheit von 82%. Wieso dann die ganze Aufregung? Oder sind diese Umfragen etwa gezinkt? Gekauft, wie das Gutachten des Bundesamtes für Justiz?

Samenspende inbegriffen

Eine weitere Debatte gab es im Ständerat noch zur Samenspende für lesbische Paare. Der Nationalrat hatte eine solche nämlich am 11. Juni mit 124 zu 72 Stimmen bei 1 Enthaltung gutgeheissen – und zwar sowohl gegen den Willen des Bundesrates, als auch gegen den Willen der SVP und der Mitteparteien.

Die vorbereitende Ständeratskommission folgte nun diesem Vorschlag – allerdings mit einer Modifikation. Bisher ist es so, dass in einer normalen heterosexuellen Ehe von Gesetzes wegen stets der Ehemann als Vater eines gemeinsamen Kindes vermutet wird. Nach Vorstellung des Nationalrats sollte diese Vermutung bei lesbischen Paaren nun auch für die «Ehefrau» der Mutter gelten. Dies schafft zahlreiche schwerwiegende Probleme: Einerseits verliert das Kind damit sein verfassungsmässiges Recht auf Kenntnis des leiblichen Vaters, andererseits würde eine Vaterschaftsklage künftig verunmöglicht.

Ständerat Andrea Caroni (FDP/AR) schlug deshalb vor, die Mutterschaftsvermutung nur zuzulassen, wenn ein Kind per professionelle Spende und unter Schweizer Recht geboren wird. In der Praxis bedeutet dies: Die Samenspende muss in einer Schweizer Reproduktionsklinik erfolgen. Wird eine Mutter durch eine private Spende schwanger (Privatinsemination, Becherspende, anonyme Samenspende im Ausland), so wird ihre «Ehefrau» nicht vom Gesetz als Mutter vermutet. Sie müsste das Kind adoptieren. Dieser Variante schliessen sich nun sowohl National- als auch Ständerat an.

Schwierige Unterschriftensammlung

Die Referendumsfrist beginnt mit der Publikation im Bundesblatt zu laufen. Wir haben danach 90 Tage Zeit, um 50’000 Unterschriften zusammen zu bringen (fakultatives Referendum).

Leider erfolglos:

Folgende Ständerätinnen und Ständeräte hatten den Mut, zwecks Einführung «Ehe für alle» eine Verfassungsänderung zu verlangen:

Martin Schmid (FDP/SG); Stefan Engler (CVP/GR); Othmar Reichmuth (CVP/SZ); Benedikt Würth (CVP/SG); Beat Rieder (CVP/VS); Marianne Maret (CVP/VS); Charles Juillard (CVP/JU); Andrea Gmür-Schönenberger (CVP/LU); Daniel Fässler (CVP/AI); Heidi Z’graggen (CVP/UR); Pirmin Bischof (CVP/SO); Erich Ettlin (SVP/OW); Peter Hegglin (CVP/ZG); Thomas Minder (parteilos/SH); Hansjörg Knecht (SVP/AG); Werner Salzmann (SVP/BE); Jakob Stark (SVP/TG); Marco Chiesa (SVP/TG); Hannes Germann (SVP/SH); Alex Kuprecht (SVP/SZ)

Wir danken ihnen für die Zivilcourage!

                                                              

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